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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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vornehmeren Musikverein, der Heimstatt der Wiener Philharmoniker, oder gar in der Oper, wo die festliche Garderobe gerne gesehen wurde.
    Was durchaus der Tradition entsprach, zumal das 1913 eröffnete Konzerthaus ursprünglich als »Olympion« für die breite Masse konzipiert worden war, das neben einigen Konzertsälen auch einen »Bicycleclub« und einen Eislaufplatz beherbergen sollte. Von diesen ursprünglichen Plänen, die eigentlich auch eine Freiluft-Arena für 40.000 Besucher vorgesehen hatte, wurde allerdings nur der »Wiener Eislaufverein« verwirklicht, der sich bis heute direkt neben dem Konzerthausgebäude befindet.
    Walz wusste natürlich um diese gesellschaftlichen Eigenheiten und richtete sich danach, auch wenn ihm sein grünes Baumwoll-Sakko, das er in Kombination mit einer grauen Gabardine-Hose trug, fast schon ein wenig zu lässig für einen solchen Anlass erschien.
    Solchermaßen adjustiert, – auf eine Krawatte hatte er dann doch nicht verzichten wollen und als Zugeständnis an die unausgesprochenen Gesetzmäßigkeiten ein kanariengelbes Exemplar gewählt, – parkte er seinen gelben Fiat Barchetta-Roadster in einer nahe gelegenen Seitenstraße. Pünktlich wie stets fand er sich am verabredeten Treffpunkt vor dem Beethoven-Denkmal in der Eingangshalle ein. Da von seiner Begleiterin noch nichts zu sehen war, blieb Walz noch genügend Zeit, um sein taktisches Vorgehen für den heutigen Abend nochmals zu überdenken. Denn so weit, wie er seinem Freund Vogel angedeutet hatte, war ihr Verhältnis beileibe nicht gediehen. Selbst Walz, so redlich er auch war, wurde immer wieder zum Opfer des archaischen Selbstverständnisses, das den Wert des Mannes daran misst, wie viele Bräute er in möglichst kurzer Zeit umgelegt hat. Und wenn selbst unser Walz in all seiner Sanftmut Opfer dieser Betrachtungsweise war, kann man daran ermessen, wie groß der Wahrheitsgehalt in der virilen Selbstbeschreibung eines durchschnittlichen Mannes ist. Daran hatte auch der nun schon dreißigjährige Einfluss des Feminismus nichts ändern können.
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, über mehr als die obligatorischen Wangenküsse war Walz bislang nicht hinausgekommen. Immerhin war er aber guter Hoffnung, dass sich dies bald ändern würde, man verstand sich ja gut, wenn auch entsprechende Signale von ihrer Seite noch völlig ausblieben.
    Heute Abend wollte er, wenn es sich denn ergäbe, also den Schritt wagen, doch da Elisabeth ein kapriziöses Geschöpf war, musste mit Bedacht vorgegangen werden. Denn Walz, aufgrund seiner zahlreichen unglücklichen Werbeversuche auf diesem Gebiet mit erheblicher Erfahrung gesegnet, war sich dessen bewusst, dass er als Mann leider dem schwachen Geschlecht angehörte, das sich der Entscheidungshoheit der Frauen widerspruchslos zu fügen hatte.
    Von diesem wenig erfreulichen Gedankengang wurde er durch ihr Erscheinen enthoben.
    Doch sie kam nicht alleine, sondern in Begleitung einer etwa fünfunddreißigjährigen Dame, die in jeder Hinsicht dem Begriff des »barocken Vollweibs« entsprach. Mit ihrem schwarzen, dichten Haar sowie ihrem dunklen Teint mutete sie Walz durchaus südländisch an. Obgleich sie keinesfalls seinem üblichen Beuteschema entsprach, musste Walz doch einräumen, dass sich die rotblonde und knabenhafte Elisabeth neben einer solch imposanten Persönlichkeit ausgesprochen blass ausnahm.
    »Es ist alles meine Schuld«, sagte die Schwarzhaarige lachend und ein wenig außer Atem, während sie die Hände auf ihre Hüften legte. »Um eine solche Leibesfülle solchermaßen zu umkleiden, dass sie keinen Anstoß erregt, bedarf es doch etlicher Kunstgriffe, die immer viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen.«
    Dabei musterte sie unseren Inspektor mit einer Koketterie, dass dieser nichts mehr zu erwidern wusste.
    »Das ist eine Freundin von mir, Clara Montero«, erklärte Elisabeth nach den obligatorischen Wangenküssen, bei denen er ihr Parfüm roch, das sich in seiner Dezenz trefflich mit ihrem Eigengeruch vermischte. »Sie kannte Florians Mutter auch sehr gut, wodurch sie natürlich auch ein Fan von ihm ist.«
    »Ich kenne Florian ja schon so lange«, erklärte ihm Montero. »Genauer gesagt, seitdem er bei den Sängerknaben war, da war er noch ein richtig kleiner Bub.«
    Zur Verdeutlichung hielt sie ihre Hand in Hüfthöhe.
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie aufregend es für mich ist, dass dieses gerade noch so kleine Bürschlein im Matrosenanzug jetzt seine große Karriere

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