Damenschneider
warten.«
Auch wenn er es sich vordergründig nicht eingestehen mochte, hatte sich Vogel selten in einem solchen Maße darauf gefreut, nach Hause zu kommen.
Und in seinen Erwartungen wurde er vorderhand nicht enttäuscht.
Denn kaum war er durch die Eingangsstür seiner Wohnung getreten, wurde er schon von den Liebesbezeugungen seiner zu ihm aufspringenden Emily wieder hinausgedrängt, wobei sie mit ihrem langen Schwanz, mit dem Greyhounds nun einmal gesegnet sind, das feine Mokka-Service, das mangels anderer Unterbringungsmöglichkeiten auf dem kleinen Schränkchen im Vorzimmer Platz gefunden hatte, auf den Boden fegte, wo es geräuschvoll zum Liegen kam. Zwar versuchte Laura, die hinter dem Hund hergelaufen kam, vergebens den Schwanz festzuhalten, um das Schlimmste zu verhindern, doch mehr als die Zuckerdose und ein Tässchen vermochte sie nicht zu retten. Dieses Getöse rief nun Martina auf den Plan, die gerade mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt war. Deren Gezeter mischte sich mit den Beschwichtigungsrufen ihrer Familie, so dass schon bald der ohnehin wenig geliebte Nachbar auf den Plan gerufen wurde, der verärgert seine Türe wieder ins Schloss warf, nachdem er lauthals um Ruhe gebeten hatte.
Da jedoch der Boden des Vorzimmers nun voll des edlen Porzellans war, wurde der hungrige Vogel mitsamt seinem vierbeinigen und darob überaus erfreuten Freund sogleich auf die Straße geschickt.
Nach einem kurzen Spaziergang, während dem der ärgste Schaden in der Wohnung behoben worden war, wurde der Polizist von seiner zornigen Gattin empfangen, die lauthals über »dieses Vieh« herzog, das das »wunderschöne Service von Augarten«, das von ihrer Familie schon seit Generationen hochgehalten wurde und Teil ihrer Aussteuer gewesen war, »ruiniert habe«.
Doch so schlimm, wie sie tat, war es keinesfalls, das befand wenigstens Vogel, der dieses Geschirr ohnehin nie gemocht hatte. Lediglich zwei Tassen, deren Henkel abgebrochen waren, hatten Schaden genommen.
Diesen eigentlich zur Beschwichtigung vorgebrachten Einwand Vogels wollte Martina jedoch nicht gelten lassen:
»Es hat ja ein Greyhound sein müssen«, zeterte sie, während Emily ihr beruhigend die Hand leckte, die sie sogleich ärgerlich wegzog. »Mir wäre ein Golden-Retriever eh viel lieber gewesen, das ist wenigstens ein Familienhund, von dem wir alle etwas haben. Aber nein, Du wolltest ja wieder einmal etwas Exklusives haben. Mit deinem Wahn für alles Englische. Fast jeder, der mir heute begegnet ist, hat mich gefragt, ob der Hund denn nichts zu essen bekäme, so dünn, wie der ist. Außerdem rennt er gleich zu jedem hin, ob der es will oder nicht.«
Aus jahrelanger Erfahrung heraus wusste Vogel, dass jegliche Entgegnung sinnlos war.
Diese hatte er seiner Tochter voraus, die trotzig entgegnete:
»Die Emily habe ich zum Geburtstag bekommen, und ich lieb’ sie so, wie sie ist. So einen dämlichen Retriever wollte ich niemals haben! Den hat ja jeder!«
Dies sollte das Schlusswort des Abends zu diesem Thema darstellen.
Martina zog sich grollend zu ihren Töpfen zurück, während Vater und Tochter dem Hund sein Futter bereiteten.
Das Abendessen wurde weitgehend schweigend eingenommen, so dass Vogel beschloss, trotz des widrigen Herbstwetters einen ausgedehnten Abendspaziergang in den Hörndlwald zu unternehmen – sehr zur Freude der gar nicht zerknirschten Emily.
Die Abendgestaltung von Walz sollte sich vorderhand weitaus erfreulicher gestalten, wollte er doch ein Konzert mit seiner neuen Freundin Elisabeth im Schubert-Saal des Wiener Konzerthauses besuchen, an dem Florian Rost, der Sohn ihrer kürzlich verstorbenen Freundin mitwirkte.
Zwar war Walz nicht unbedingt ein Freund der Barockmusik auf Originalinstrumenten, ihn zog es mehr zur Oper, doch er war schon sehr neugierig auf den jungen Countertenor, über dessen Sangeskunst ihm Elisabeth schon einiges erzählt hatte. Zudem standen Kantaten von Johann Sebastian Bach auf dem Programm, den er sehr schätzte, zumal gerade in Wien viel zu selten Werke des Thomaskantors aufgeführt wurden.
Nachdem er sich zu Hause geduscht und dem Veranstaltungsort entsprechend nicht zu festlich gekleidet hatte, fuhr er zum Konzerthaus. Eigentlich widerstrebte es ihm, sich nicht in einen seiner Maßanzüge zu kleiden, doch in Wien war es üblich, sich weniger dem Anlasse als vielmehr dem Konzertsaal entsprechend auszustatten. Im Konzerthaus war es angeraten, etwas lässiger aufzutreten als im
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