Damian
Hilfe räumen sie die einfache, aus Brettern zusammengenagelte Holztür zur Seite und schon beginnen die Arbeiter die losen Lehmziegel, die den Eingang dahinter versperren, ohne jegliche Mühe abzutragen. Als der letzte Stein weggeschafft wird, schaut Rachel in die Dunkelheit des Grabes. Stickige, modrige Luft schlägt ihr entgegen und ein beklemmendes Gefühl scheint nach Rachel zu greifen. Ihr Körper reagiert auf etwas, das sie sich nicht erklären kann, ihre Hände sind feucht, ihre feinen Nackenhärchen haben sich aufgestellt und sie ist angespannt. Ihr Herz galoppiert in ihrer Brust und als ein lauer Windstoß durch ihre Haare fährt, erschreckt sie sich so sehr, dass sie unwillkürlich zusammenzuckt. Ein Glück haben die anderen nichts bemerkt. Rachel strafft die Schultern und blickt hinein in den dunklen Schacht. Vor ihr liegt ein Gang, der unter die Erde führt. Sie kann nicht viel erkennen, vielleicht fünf Meter kann sie in den Schacht hineinschauen.
„Hier!“ Damian reicht ihr eine Taschenlampe und nimmt unvermittelt ihre Hand.
„Komm!“ Er geht voran und Rachel folgt ihm, hinein in die Dunkelheit. Kühle empfängt sie schon nach wenigen Schritten. Sie können nicht nebeneinander gehen, so schmal ist der Weg nach unten. Unter ihren Füssen ist der Felsboden mit Wüstensand bedeckt und dämpft ihre Schritte. Die Luft wird stickiger, mit jedem Meter, den sie voranschreiten. Damians Geste hat sie zwar überrascht, aber irgendwie ist sie froh, dass er sie hält. Schritt für Schritt tasten sie sich vor. Rachel versucht mit ihrer Taschenlampe die Wände und die Decke zu beleuchten, nur um zu erkennen, dass das Felsgewölbe um sie herum in keinster Weise spektakulär ist. Es gibt keine Reliefs oder Zeichnungen, geschweige dann Schriftzeichen oder Kartuschen. Die Wände und das Gewölbe sind aus kahlem, kaltem Sandstein und wirken erdrückend auf Rachel, obwohl sie im Gegensatz zu Damian aufrecht gehen kann. Das beklemmende Gefühl wird immer stärker, je tiefer sie den Schacht hinuntergehen. Ihr Herz pocht schnell gegen ihre Rippen, vor Aufregung und Anspannung und es fällt ihr zunehmend schwer, die abgestandene, trockene Luft in ihre Lungen zu saugen. Schritt für Schritt gehen sie tiefer unter die Erde und obwohl das Gefälle minimal ist, kommt Rachel plötzlich ins Stolpern. Damian dreht sich blitzschnell zu ihr, um sie aufzufangen. Sie stehen sich im Dunkeln gegenüber und nur der matte Schein der Taschenlampen erhellt die Szenerie.
„Hast du dich verletzt?“, fragt Damian sie besorgt. Er hält sie in den Armen und Rachel glaubt die goldenen Punkte in seinen Augen leuchten zu sehen.
„Nein“, antwortet sie ihm atemlos und ist sich plötzlich nicht sicher, ob ihr Herz so sehr rast, weil sie sich erschreckt hat, oder weil es sich so gut anfühlt von ihm gehalten zu werden.
„Bin ich zu schnell? Wollen wir langsamer gehen?“, erkundigt er sich. Rachel schüttelt den Kopf und bemerkt, dass er immer noch keine Anstalten macht sie wieder freizugeben.
„Was glaubst du, wie lang ist der Schacht?“, versucht sie die Situation zu entspannen. Damian zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung, vielleicht noch zehn oder fünfzehn Meter“, mutmaßt er und löst seinen Griff um ihre Taille, um sogleich wieder ihre Hand zu nehmen. Mit einem prüfenden Blick vergewissert er sich noch einmal, dass mit Rachel alles in Ordnung ist und schon gehen sie weiter. Rachels Anspannung legt sich nur langsam. Zunehmend wird ihr bewusst, auf was für ein Abenteuer sie sich eingelassen hat. Sie klettert mit einem ihr immer noch fremden Mann in einen dunklen Schacht, hinein in ein über dreitausend Jahre altes Grab, in dem vermutlich einmal mehr als nur ein Toter begraben war. Und als wäre das nicht schon gruselig genug, kommt ihr natürlich auch das Geschwätz von dem Fluch wieder in den Sinn.
Damian hört ihr Herz galoppieren. So schnell und so unglaublich verführerisch. Sie ist ihm ausgeliefert, hat keine Chance ihm hier unten zu entkommen. Es wäre so leicht! Damian muss sich zusammenreißen. Die dunkle Seite in ihm will, dass er Rachel nimmt, ihr Blut trinkt, heißen, wilden Sex mit ihr hat und sie vielleicht sogar zu seiner Braut macht, aber ein anderer Teil von ihm weigert sich ihr das anzutun, genießt ihre Sterblichkeit, ihre Unschuld, das Pulsieren ihres lebendigen Körpers, die Aura ihrer Verletzlichkeit. Es ist ein Balanceakt, eine immerwährende Versuchung. Er steht am Abgrund und es ist nur ein winziger
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