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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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der Kirche vertraut gemacht, die ich sonst vielleicht niemals kennengelernt hätte. Du hast mir endlos – ich meine, ausführlich – aus den Werken des gesegneten Hermes vorgelesen, dessen Namen ich niemals in den Listen der Heiligen finden konnte, du hast mich die Elemente gelehrt und wie sie sich verbinden, und die Rangordnung der Engel.
    Aber nie hast du mir von Liebe gesprochen – von weltlicher Liebe. Ich hätte gedacht, daß du ein solches Gefühl verachtest!«
    Ihr Blick huschte, von der Dunkelheit verborgen, umher.
    »Wie? Gott. Studium. Liebe. Gibt es da einen Unterschied?« stieß er hervor. Er wußte selbst nicht mehr recht, was er sagte. »Ich liebe dich, Carla. Ich schwöre bei Gott, daß ich dich liebe.«
    »Das wußte ich nicht«, sagte sie schlicht.
    »Vielleicht weil ich es auch nicht wußte. Bitte, Carla, glaube es mir jetzt. Gib vor, du hättest es immer geglaubt. Laß dich davon umstimmen. Oder vermagst du das nicht?«
    Sie schwieg.
    »Vermagst du das nicht?« Er streichelte die Luft über ihrem Knie, da er nicht wagte, sie zu berühren.
    Ihre langsame Verneinung war unvermeidlich und niederschmetternd.
    »Nein, mein lieber Damiano, das kann ich nicht.
    Wir leben in einer Welt voller Bitternis; das hast du ebenso erfahren wie ich. Das Leben ist erfüllt von Schmerz, heimgesucht von Krieg und Seuche. Die Schwachen leiden unter den Starken, und die Starken, wie mein armer, schrecklicher Bruder Paolo, leiden unter ihren eigenen Leidenschaften. Die Suche nach dem Glück führt in die Sünde und noch größeres Leiden. Wir wurden nicht auf Erden geboren, um glücklich zu sein.«
    »Um so besser«, sagte Damiano, stützte seine Ellbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände. »Ich bin nämlich wahrhaftig nicht glücklich.«
    Widerstrebend, da sie wußte, daß sie es nicht tun sollte, strich Carla Damiano über das schwarze Haar.
    »Wir, denen es gegeben ist, das zu sehen, mein Bruder, mein lieber Bruder, Bruder meiner Seele – wir können nicht wählen, wen wir lieben – denn wir müssen in Liebe gegen alle handeln, selbst die abstoßendsten unter den Menschen – oder wem wir an erster Stelle dienen wollen. Gott selbst müssen wir dienen. Sonst aber ist es so, wie du sagst – wir müssen ihm mit allem dienen, was wir besitzen, mit allem, was wir sind.
    Und ich bin von ihm zum Gebet gerufen.« Die glatte Stirn krauste sich flüchtig. »Ich glaubte, du wärst es auch, Damiano. Von dir habe ich gelernt, und ich habe nach Aosta das große Buch von Thomas Aquinas mitgenommen, das du mir geschenkt hast, und dazu die Gedichte des Heiligen Franz, die wir zusammen gelesen haben und die so schön waren. Kannst du denn nicht auch deine Berufung fühlen?«
    Mit einem kurzen, erstickten Lachen hob er den Kopf.
    »Ich? Ein Bastard, das weißt du, kann nicht Priester werden, aber selbst ein Bastard ist willkommener als ich. Einem Hexer ist das religiöse Leben versperrt; nicht einmal einem Laienorden kann er beitreten. Man ist der Meinung, daß bei uns etwas nicht ganz recht ist, weißt du. Manche sagen sogar, wir seien verdammt.«
    Damianos Schultern zuckten, aber er richtete sich unvermittelt auf und wischte sich mit dem Ärmel seines Kittels über das Gesicht.
    »Verzeih, Carla. Ich bin müde und – nicht zufrieden mit mir. Ich werde nichts mehr sagen, dir deinen Entschluß zu verleiden. Ich verstehe ihn, obwohl er – « Er holte tief Atem und setzte noch einmal an. »Glaube mir, Carla, wenn du mir Schwester sein möchtest, so werde ich dir Bruder sein. Wenn du hinter den Mauern des Klosters La Dolorosa untertauchst und ich dich nie wiedersehe, werde ich dich dennoch lieben und froh sein, dich zu lieben, denn es ist besser auch unerfüllt zu lieben als nicht zu lieben.«
    Sie trat zu Damiano und blieb dicht vor ihm stehen. Das blonde Haar stahl sich unter ihrem Schal hervor. Er drehte sich steif um. Er wollte nicht wieder weinen. Durch die Vorhalle ging er hinaus. Unter dem Portal zuckte er zusammen und verbarg sein Gesicht vor dem kalten Licht der Sonne.
     
     
    Um diese Jahreszeit, Ende November, brach die Nacht früh herein im Tal von Aosta. Die Stadt lag im Schatten, in die Hügel eingebettet. Die Luft war von Holzrauch geschwängert.
    Damiano hatte für diese Nacht Unterkunft für sich und Macchiata bei einem der Städter gemietet. Wenn er jetzt dorthin ging, würden ihn zweifellos ein Feuer und eine Schale heiße Suppe erwarten. Statt dessen jedoch hockte sich Damiano auf einen Baumstumpf auf der

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