Damiano
gesehen habe und von dem ich weiß, daß er mit dir verwandt ist. Aber dennoch verblüfft mich dieses Paradox, da du so sehr einem Engel gleichst.«
Das Gesicht des einst höchsten unter den Erzengeln färbte sich noch tiefer rot. Die gewaltigen Finger rollten sich um die winzige Gestalt in Gold und Rot, bis es schien, daß sie sie zerquetschen wollten.
Doch Damiano stand ganz still, und endlich hielten die näherkommenden Finger inne. Ein wohlgepflegter Daumennagel lag am Hals Damianos.
»Es wurde ein Wurf von Geschöpfen in die Welt gesetzt«, bestätigte der Satan, »die eine oberflächliche Ähnlichkeit mit mir hatten. Aber ich bin weitaus der Größte.«
Damiano nickte und spürte den kalten Nagel an seinem Adamsapfel.
»Ich hörte, daß du größer warst als sie«, sagte er. »Ich brachte die Rede nur darauf, um zu erklären, warum ich dich so staunend ansehe.«
Er hustete, wich vor dem Daumennagel zurück und spürte die Spitze eines harten Fingers zwischen seinen Schulterblättern.
Der Satan lächelte, und das letzte bißchen Ähnlichkeit mit Raphael war dahin.
»Wer«, fragte er mit schmeichelnder Stimme, »hat dich so unterrichtet? Einer meiner Statthalter auf Erden, vermute ich. Ein Mörder oder der Papst in Avignon?«
Damiano blickte scharf auf.
»Raphael hat es mir erzählt. Er sagte, du wärst immer der Größte unter den Engeln.«
Grobes Gelächter füllte dröhnend den Raum, bis Damiano auf der Hand des Teufels ins Schwanken geriet und sich die Hände auf die Ohren drückte.
»Demut«, schallte es donnernd aus dem gewaltigen Mund. »Das gefällt mir!« Aber dann wurde das Gesicht schlagartig wieder ernst. »Und es ist mir eine Freude, einen Menschen ohne übertriebenen Respekt vor dieser albernen Bande gefunden zu haben.«
Damiano wappnete sich mit Entschlossenheit. Er war nicht gekommen, um sich mit dem Teufel auf einen Streit einzulassen wie ein paar Tage zuvor mit General Pardo, aber er war geborener Italiener und konnte es nicht ertragen, daß sein Freund so herabgewürdigt wurde.
»Macht ist nicht alles, großer Luzifer«, sagte er deshalb. »Ich glaube nicht, daß sie Raphael etwas bedeutet. Nicht so viel wie die Musik. Und wenn er auch vielleicht weniger mächtig ist als du, so steht er doch weit über mir.«
Der Satan schlug seinen Blick in Damiano wie ein Wolf seine Zähne in ein Lamm geschlagen hätte. Damiano konnte sich weder bewegen, noch konnte er weggehen.
»Er steht in der Tat weit über dir, Knabe, weil er es dich glauben gemacht hat. Merke dir, daß Geister sehr geschickt sind und nichts zufällig sagen. Ich genieße selbst einen gewissen Ruf in dieser Richtung, Damiano, aber ich schwöre dir, daß ich die Aufrichtigkeit selbst bin im Vergleich zu den Geistern, die sich vor dem Anfang neigen.«
»Vor dem Anfang?« echote Damiano.
Der Satan seufzte und legte das riesige Gesicht in philosophische Falten.
»Alle Dinge und Geister entsprangen dem Anfang. Barsten aus ihm hervor, könnte man sagen. Er hatte in der Sache nichts zu sagen und hätte uns alle gewiß als Teile seiner selbst behalten, wenn ihm das möglich gewesen wäre.
Es war ihm aber nicht möglich, denn die Freiheit ist so alt wie der Anfang, wenn nicht älter. Seit jenem Tag, als wir alle, Geister und irdische Geschöpfe, entflohen und wir selbst wurden, versucht er, uns zur Rückkehr zu bewegen, um uns sich wieder einverleiben zu können. Er verbreitete das Märchen, daß er sich in Brot verwandelt, damit der Mensch ihn zu sich nehmen kann, allein deshalb, damit der Mensch die Wahrheit, daß er nämlich den Menschen wie Brot verschlingt, williger annimmt.
Sich in einem anderen aufzulösen, das ist die Antithese der Freiheit!«
Er sprach von Gott, erkannte Damiano plötzlich.
»Ja, Damiano, obwohl ich der Herr der Erde bin, bin ich auch der einzige Verfechter der Freiheit auf Erden, und jene, die mir dienen, kennen die Gaben der Freiheit, denn es gibt nichts, was ich einem Menschen verweigere. Nicht einmal die geistige Wonne, die die Verneigung vor dem Altar des Anfangs erzeugt, verweigere ich ihm, wenn er sich dieses Vergnügen wünscht, obwohl der andere mir gegenüber nicht so zuvorkommend ist.
Ja, es gibt viele, die mir auf diese gespaltene Art dienen, darunter würdige Herren in den roten Gewändern des Kardinals. Ich…«
Damiano hatte den Faden verloren, denn er versuchte immer noch zu begreifen, wie die Freiheit sowohl naturgegeben als auch ein Geschenk sein konnte. Vielleicht stand der
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