Damiano
perversen Motive in dieser Sache verstehen kann. Partestrada wird abseits aller Eroberungsrouten liegen, die aus Italien, Frankreich und dem Norden kommen. Die Ernten werden angemessen sein. Nicht überreichlich, vielleicht, aber angemessen. Keine Seuche wird die Stadt heimsuchen. Ist das nicht eine gute Annäherung an den Frieden?«
Damiano blickte wie gebannt nach oben, als wäre er in eindringlichem Gespräch mit dem Haupt des toten Hauptmanns.
»Möglich, ja. Was willst du dafür haben, wenn meine Seele dir nichts wert ist?«
Der Teufel kaute auf seiner Unterlippe und sah durch das südliche Fenster hinaus auf die endlose Sandwüste.
»Ich?« Er sprach langsam, träumerisch. »Ich bin, wie du, ein Altruist. Für mich selbst will ich nichts. Aber die Situation stellt ihre eigenen Bedingungen.
Du hast recht, kleiner Hexer, mit deiner Überzeugung, daß die Stadt Partestrada den Keim zur Größe in sich trägt. Ihre Lage am Ufer der Dora Baltea, zwischen Turin und Aosta – ihr gesundes Klima, wo die Trauben selbst in den Schatten der Alpen reifen…
Aber ich sage dir, fünfzig Jahre beständigen Friedens werden Partestrada den Garaus machen. Die Stadt wird verblassen und zur Mumie erstarren, ihre jungen Männer werden fortziehen nach Mailand und Turin, blutvolle Städte von größerer Verheißung.«
Damiano setzte sich auf.
»So muß es nicht sein.«
Der Teufel zog eine Augenbraue hoch wie Raphael das zu tun pflegte.
»Laß mich bitte aussprechen. Nicht nur wird Partestrada verblassen und vergessen werden, Damiano, sondern auch du selbst. Alles, was du getan und geträumt hast. Die alchimistischen Entdeckungen, die du zu machen bestimmt warst, die Musik, die schon jetzt deine unerfüllte Liebe in dir weckt, dein ganzes Wissen, deine Gabe zu leichter Freundschaft, selbst dein und deiner Familie Name, dein Haus und der Ort, wo einst dein Haus stand, und dein Gesicht…
Dies alles wird verloren und vergessen sein. In einem Jahrhundert wirst du ein Mann sein, der ebensogut nie gewesen sein könnte, aus einer Stadt, deren Name untergegangen ist.«
Damiano steckte den Kopf zwischen die Knie.
»Nein!« rief er und wiederholte es eigensinnig mit zitternder Stimme. »Nein. Das ist nicht der einzige Weg zum Frieden für meine Heimatstadt.«
Der Teufel schien mit den Schultern zu zucken.
»Es ist das, was ich dir anbiete«, entgegnete er. »Einen anderen Weg kann ich nicht sehen. Größe – ob bei einem Menschen oder einer Nation – ist mit dieser Leere, die du Frieden nennst, unvereinbar.«
Damiano stand langsam auf und stützte sich dabei auf den Rand der Schale mit den Köpfen.
»Du kannst keinen anderen Weg sehen? Raphael kann nicht in die Zukunft sehen. Er sagt, kein geschaffenes Wesen vermag das – «
Hartes Gelächter dröhnte durch den Saal, begleitet vom Geruch nassen Feuers.
»Raphael? Mein kleiner Bruder ist bekannt dafür, daß er ›nicht wagen‹ mit ›nicht können‹ verwechselt.
Du kannst mir glauben oder nicht, Knabe, aber du bist hierher gekommen, um einen Pakt mit mir zu schließen. Dies ist mein Angebot, und wärst du der – der Heilige, der du zu sein scheinst, so würdest du es schleunigst annehmen. Selbst Raphael könnte an einem solchen Handel kein Fehl finden. Er stinkt förmlich nach nachgiebiger Resignation. Und Demut. Nun, was sagst du, kleiner Hexer? Nimmst du es an?«
»Nein«, antwortete Damiano. »Je länger ich mit dir spreche, desto stärker wird mein Glaube an Partestrada. Verfall ist nicht der einzige Weg zum Frieden.«
Der Teufel prustete voll herablassender Geringschätzung.
»Schöne Worte! Aber du bist doch ein Heuchler«, sagte er und lächelte, als hätte er gerade eine Partie beim Kartenspiel gewonnen. »Oder ein Feigling. Wie auch immer, du bist nicht besser als ich dachte.«
Dann packte wieder der böse Wind Damiano und schleuderte ihn an die Wand.
Den ganzen folgenden Morgen lag Damiano reglos auf einem Strohsack auf dem Boden im Haus des Zimmermanns. Und Macchiata lag zusammengerollt neben ihm. Als er erwachte, hätte sein Gespräch mit dem Teufel ein Traum sein können, wären nicht seine Knie vom Sturz auf die steinharte rote Hand aufgeschlagen gewesen und seine Nasenlöcher mit Asche verkrustet.
Immer wieder verließ die Hündin im Lauf des Morgens ihren Herrn, nur um ihn bei der Rückkehr so lethargisch wie vorher anzutreffen. Endlich schob sie ihre feuchte Nase unter Damianos stoppeliges Kinn.
»Herr«, begann sie mit gedämpfter Stimme.
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