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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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antwortete Damiano ruhig und hoffte, daß dies die Wahrheit war.
    Gaspare kniff die Augen zusammen.
    »Ich meine, die würde nicht mal mit Euch schlafen; so sehr aufs Geld ist die aus. Sie zieht an den Markttagen von Ortschaft zu Ortschaft, weil San Gabriele so klein ist, daß eine Berufshure nicht genug verdienen kann.«
    Damiano brannten die Ohren wie bei einem Sonnenbrand.
    »Trotzdem hatte sie recht mit ihrer Bemerkung.« Er neigte sich zur Seite und schob eine Hand in eine lederne Satteltasche, wo er eine Weile blind herumkramte. »Wir brauchen einen Hut. – Oder das hier.« Er zog die Suppenschale aus Holz heraus, die ihm auf seiner Reise als Teller und Tasse zugleich diente. Er starrte auf seine Stiefel, als er sie aufstellte, denn er hatte seinen Stolz und nie zuvor um Geld gebettelt.
    Noch einmal spielte er die alten Stücke durch und hörte zu, wie der kleine Gaspare vor ihm in den Schritten des Branle und der lustvollen Sarabande umhersprang. Damianos rechte Hand wurde von Minute zu Minute lockerer. Jeder Griff saß, jede Bewegung war sicher, und die Sonne am Himmel leuchtete golden. Er ging zur französischen Musik über –, der Musik kontrastierender Maße.
    Das Scharren und Trampeln tanzender Füße verstummte, aber der Musikant hob den Kopf nicht. Er war versunken in die Vielfältigkeit der kunstvollen Musik, und die Rhythmen führten ihn wie nie zuvor. Während er spielte, sprach er sich mit Murmeln und Zischen selbst wortlose Ermutigung zu.
    Raphael – Raphael mußte dies eines Tages hören, denn es war die Frucht all seiner Arbeit. Aber nein – vor seinem himmlischen Lehrer, das wußte Damiano, würde er wiederum stocken und stammeln, die Saiten so zaghaft zupfen wie ein junges Mädchen. Der Unterschied lag darin, daß hier niemand ihn als Damiano kannte, den guten Jungen, der das Lautespielen lernte. Und es kannte ihn auch niemand als Delstrego, den Hexer, der fünfzig Mann durch Angst und Entsetzen getötet hatte. Hier war er – er war das, was er den Leuten von sich zeigte.
    Der fuchsrote, schmutzige Gaspare kniete mit offenem Mund vor ihm.
    »Bei Gabriel!« rief er. »Ihr wolltet mich wohl auf den Besen laden, als Ihr mich fragtet, wie Ihr Euch Euer Brot verdienen sollt? Die neue Musik?«
    »Ah! Ihr habt hier oben in San Gabriele die kontrapunktische Musik schon gehört? Und sie beleidigt nicht die Ohren der Leute?«
    Gaspare ließ einen Blick tiefer Verachtung über den Marktplatz gleiten.
    »Hier? Ich habe nicht mein ganzes Leben hier zugebracht, mein Freund. Aber wie können Ohren, die nichts Holderes hören als das Meckern der Ziegen durch die Töne einer Laute beleidigt werden? Spielt weiter!«
    Damiano hob eben die Hand, um dem Wunsch nachzukommen, als ein Blitzen im schwarzen Holz der Schale sein Augenmerk auf sich zog.
    »Woher sind die gekommen?« fragte er verdattert und tippte mit dem Zeigefinger auf die beiden Münzen. »Hast du sie hineingeworfen, Gaspare?«
    Kühle Nachsicht spiegelte sich in den grünen Augen des Jungen.
    »Wenn ich Geld hätte, würde ich dann hier auf der Straße rumtanzen wie ein Verrückter? Die kamen bei Eurem letzten Lied. Laßt sie drin; vielleicht vermehren sie sich.«
    Der Nachmittag glitt auf Wellen von Tönen und Liedern dahin. Von seinem Erfolg als Lautenspieler berauscht, begann Damiano zu singen. Er hatte nie zuvor öffentlich gesungen, hatte es nicht einmal für seinen Lehrer getan, aber Macchiata hatte recht gehabt mit ihrer Behauptung, daß er eine gute Stimme habe.
    In der dunklen Schale sammelten sich Kupfermünzen, die vom langen Verweilen in schwitzenden Bauernhänden angelaufen waren. Er sah es mit Überraschung und mit Stolz, als könnte er sich mit der armseligen Handvoll Münzen ein ganzes Königreich kaufen. Damiano stellte fest, daß er mit seinem Gesang mehr Geld verdiente als mit seinem Lautenspiel, obwohl das Singen von beiden das weit Einfachere war. Er sang, bis er heiser war.
    Seine Kehle brannte. Er zerriß eine Sopransaite. Die Sonne stand im Westen, und Damiano rieb sich das Gesicht.
    »Genug«, krächzte er.
    »Mehr als genug«, meinte Gaspare seufzend und drückte Macchiata beiseite, um sich an die warme Mauer zu lehnen. Sein Gesicht war schweißnaß. »Der Markt ist für heute aus. Teilen wir unsere Reichtümer.«
    Mit einem hinterhältigen Grinsen nahm Damiano vier rötliche Münzen aus der Schale.
    »Das müßte reichen«, murmelte er und stand steifbeinig auf. »Ich komme gleich wieder«, sagte er und rannte schon

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