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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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während er über die Erdschollen stapfte. Er berührte seinen Stab, um besser sehen zu können, und unterschied die dunklen Umrisse eines Pferdes, das sich vor dem von der untergehenden Sonne bestrahlten Himmel abhob. Aber wenn es tatsächlich ein Pferd war, so hatte es helle Flecken, die auf höchst unpferdemäßige Art auf und nieder hüpften.
    Aber als Damiano dann klarer sah – der Mond war im Zunehmen –, begriff er und begann zu lachen, während Macchiata im selben Moment bedrohlich zu knurren anfing.
    »Reg dich nicht auf, Macchiata«, sagte er, während er der Linie hoher Bäume entgegeneilte. »Das ist nicht zum Knurren, sondern zum Lachen.«
    Die dunkle Silhouette war in der Tat Festelligambe; das weiße Ding aber, das auf ihm auf und nieder hüpfte, war gar kein Teil des Pferdes, sondern ein wütender Mensch in Hemdsärmeln, der dem Tier einen Strick als Zügel umgelegt hatte und nun mit Tritten und Schlägen versuchte, den Wallach in Gang zu bringen.
    Der jedoch stand stocksteif, die Beine in die Erde gestemmt, als wolle er nie wieder in seinem Leben einen Schritt tun. Die kleinen Ohren hatte er flach angelegt, die samtig braunen Augen rollte er wild.
    »Habe ich je an dir gezweifelt, edles Roß?« flüsterte Damiano und hielt Macchiata mit einer Hand am Schlafittchen, damit sie die Komödie nicht stören konnte. Er kauerte sich auf der Erde nieder und ließ seine Bündel vom Rücken gleiten.
    In diesem Moment hob der Mann auf dem Pferd ein wenig den Kopf. Damiano blieb die Luft weg vor Verblüffung, und er riß die Augen auf, als hätte er ein Gespenst gesehen. Denn dieses hellhäutige, etwas mürrische Gesicht gehörte zu einem Mann, von dem er geglaubt hatte, er würde ihn nie wiedersehen: dem wortkargen Vaganten, Jan Karl. Und der Dieb hatte ihn noch nicht gesehen.
    Das war ja prächtig! Behutsam bückte sich Damiano und nahm seinen Stab zur Hand, während er die Worte jenes Zauberspruchs flüsterte, der ihm beinahe der liebste war – er machte sich unsichtbar, um den erheiternden Augenblick noch ein wenig zu verlängern.
    Selbstsicher trat er dann näher. Jan Karl – oder Till Eulenspiegel, wie er sich offenbar auch nannte – war keine Gefahr für einen vorsichtigen Mann, schon gar nicht für einen Mann, der solche Fähigkeiten besaß wie Damiano. Das dünne, schmutzige Hemd schlotterte um seine mageren Schultern wie um einen Holzbügel. Das strähnige blonde Haar war braun von Schmutz und klebte ihm am Gesicht, das jene grau-bläuliche Färbung angenommen hatte, die verriet, daß es allzu lange der Kälte ausgesetzt gewesen war. Um zwei Finger der linken Hand waren Lumpen gewickelt; Damiano vermutete Erfrierungen. Er erinnerte sich der überstürzten Flucht der Vaganten in die eisige Nacht hinaus.
    Das Bündel Briefe fiel ihm ein, das er immer noch in seinem Gepäck bei sich trug – von einem Pfeil durchbohrt, in einer fremden Sprache geschrieben. Und Damiano hatte nicht vergessen, was Macchiata ihm erzählt hatte: Dieser Dieb zumindest hatte ihn nicht töten wollen.
    Während er gedankenverloren vor dem Bild des störrischen Pferds und seinem wütenden Reiter stand, witterte ihn das Pferd plötzlich. Seine Nüstern zuckten, seine Ohren richteten sich auf. Macchiata, die unsichtbar am Bein ihres Herrn lehnte, blaffte zur Antwort. Mit einem hörbaren Knacken brach Damiano den Zauber.
    Das Pferd machte einen erschrockenen Bocksprung, und Jan Karl flog in hohem Bogen von seinem Rücken ins Gras.
    Eine schreckeinflößende Gestalt neigte sich über den Vaganten, schwarz wie der Satan vor dem Licht der untergehenden Sonne. Sie knurrte wie ein wütender Hund – oder vielleicht knurrte auch nur irgendwo in der Nähe ein Hund, und der junge Bursche hatte genug böse Erfahrungen mit knurrenden Hunden gemacht, um auf dieses Geräusch ängstlich zu reagieren.
    »Mon Dieu! Verschone mich!« jammerte er in einem Gemisch aus Französisch und Italienisch und schlug die blau angelaufenen Hände vor sein Gesicht. »Es ist zuviel!« fügte er hinzu.
    Damiano blickte mit gerunzelter Stirn auf den Burschen hinunter. Er verspürte gänzlich unangebrachtes Mitleid mit dem Vaganten und kam sich außerdem lächerlich vor. Selbst die weniger versöhnlich geartete Hündin hörte auf zu knurren und hockte sich abwartend nieder.
    Damiano räusperte sich. »Ihr habt das nicht getan«, sagte er und versuchte, in drohendem Ton zu sprechen. Es klang aber eher nörglerisch. »Ihr habt den arglosen Fremden nicht verschont,

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