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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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über seine Knie.
    »Lauter!« rief der kleine Rotschopf gebieterisch. »Das ganze Dorf muß Euch hören!«
    Damiano war kein Vortragskünstler, er hatte sich jedenfalls nie für einen solchen gehalten, aber er hatte einen hervorragenden Unterricht genossen. Er schlug die kleine Laute kräftiger, und nun konnte zumindest ein Teil des Dorfes sein Spiel vernehmen. Er spielte alle alten Melodien – die einfachen, konservativen Liedchen und Tänze –, die er kannte. Er spielte sie alle durch, und als er am Ende war, fing er wieder von vorn an.
    »Lauter!« ermahnte ihn sein einziger Zuhörer von neuem.
    Damiano lächelte dünn. »Das ist eine Laute, kein Dudelsack«, brummte er, aber er gehorchte.
    Als er das nächstemal aufblickte, tanzte der rotgeschopfte Lumpenjunge eine Gavotte. Nie zuvor hatte jemand zu seiner Musik getanzt – nicht einmal Macchiata. Er schlug selbst seine gestiefelten Füße im Takt aneinander.
    »Wo ist Euer Hut?« Eine hochgewachsene junge Frau stand vor ihm.
    Rotes Haar, im nördlichen Italien schon an sich nicht allzu selten, schien in San Gabriele an der Tagesordnung zu sein. Diese junge Dame hatte kupferrote Korkenzieherlocken, die ihr den Rücken herabfielen. Das grüne Kleid spannte sich straff über ihren prallen Brüsten, und die Rundung ihrer Hüften wurde durch einen Bernsteingürtel betont, an dem ein kleines Kruzifix hing, das vor Damianos Augen hin und her schwankte.
    »Wie wollt Ihr Geld verdienen, wenn Ihr keinen Hut vor Euch habt?«
    Damiano starrte wie gebannt auf das schwankende Kruzifix.
    »Wenn ich einen Hut hinlege, Signorina«, sagte er stockend, »werdet Ihr dann eine Münze hineinwerfen?«
    Sie kicherte, als hätte er eine geistreiche Bemerkung gemacht.
    »Ich bin eine arme Frau, Signore. Eurer Erscheinung nach solltet Ihr eher Eure Münzen in meinen Hut werfen.«
    Damianos Wangen flammten brennend rot auf. Sogar die Innenfläche seiner Hände färbten sich rosig. Aber wenn auch seine Finger stolperten, kam er doch nicht aus dem Rhythmus.
    »Das Glück ist wankelmütig, schöne Dame, und die Börse aus Samt, gestern noch wohlgefüllt, ist heute leer. Das Glück ist auch eifersüchtig auf die Schönheit und bedient sich der Zeit als Kralle.« Klirrend schlug er den letzten Takt des Tanzes und dämpfte alle Saiten. Seine dunklen Augen blitzten, als er zu der Schelmin aufsah. »Seid vorsichtig, Signorina.«
    Sie wich zurück, denn echter Witz war etwas, was sie nicht kannte. Dennoch hob sie hochmütig das Kinn.
    »Seminaristen hocken im allgemeinen nicht an Straßenecken und schlagen die Laute, Schwarzauge.«
    Damiano zuckte mit den Schultern.
    »Ich bin so wenig Seminarist wie Ihr Nonne seid, kecke Dame mit den grünen Augen.«
    Diese grünen Augen entlockten ihm beinahe gegen seinen Willen ein Lächeln.
    Sie blickte mit einem spöttischen Lachen auf die Mauer über seinem Kopf.
    »Dann seid Ihr in der Tat keine Spur Seminarist«, gab sie von oben herab zurück.
    Der Straßenjunge, der unbemerkt dagestanden und das Wortgeplänkel verfolgt hatte, trat jetzt vor.
    »Genug! Es reicht, Evienne – du behinderst die zahlenden Kunden. Dieser Mann muß Geld verdienen, und überhaupt ist er nicht dein Typ. Mach dich fort!« Damit drückte er ihr ganz ungeniert eine Hand ins Kreuz und versuchte, sie die Straße hinunterzuschieben.
    Mit zornigem Gesicht schlug sie seine Hand weg.
    »Rühr mich ja nicht an, Gaspare, sonst schwimmst du noch vor dem morgigen Tag im Brunnen.«
    Der Junge quittierte ihre Feindseligkeit mit einem höhnischen Grinsen.
    »Ach ja? Du erstichst mich mit deiner Haarnadel, während ich in süßem Schlummer liege, wie? Aber das würde dir nichts helfen und mir auch nicht. Und der Herr hier wäre trotzdem überhaupt nicht von dem Schlag, mit dem du’s treibst.«
    Danach fuhr er in etwas gemäßigterem Ton zu sprechen fort.
    »Sei vernünftig, Evienne. Was würdest du denn sagen, wenn ich dir bei deiner Arbeit in die Quere käme? Stell dir vor, während du deine Reize zur Schau stellst, liefe ich neben dir her wie ein eifersüchtiger Liebhaber…«
    »Du, Gaspare? Das nimmt dir doch in diesem stinkenden Dorf sowieso niemand ab.«
    Evienne warf trotzig den Kopf in den Nacken und stolzierte davon. Damiano blickte ihr eine Weile nach, dann sah er ohne Dankbarkeit in das schmutzige Gesicht seines Retters.
    Der Junge machte eine nachdrückliche Handbewegung.
    »Die taugt nichts«, erklärte er. »Von der bekommt Ihr nichts.«
    »Ich wollte auch nichts von ihr«,

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