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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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der Knorpel zerrissen mit einem feinen Knacken, ähnlich dem Knistern von Holz im Feuer. Die Klinge troff von Blut, und dickes, krankes Blut rann den weißen Arm herab auf Damianos Knie. Der Fingerknochen löste sich weiß und glänzend aus der Gelenkpfanne.
    Den Ringfinger nahm er am großen Gelenk ab, aber nach einem Blick auf das freigelegte Fleisch schüttelte er den Kopf und machte einen zweiten Schnitt, mit dem er auch diesen Finger von der Wurzel aus entfernte.
    Als er das vollbracht hatte, musterte er die offene Wunde mit Erleichterung. Sie war einfach und sauber und würde leicht zu verbinden sein. Er hatte Hautlappen so belassen, daß er sie über den freigelegten Knochen und das Fleisch klappen konnte. Später würde die Haut wahrscheinlich abfallen und durch wildes Fleisch ersetzt werden, fürs erste jedoch würde sie die Wunde schließen.
    Doch ehe Damiano die Hautlappen über die Wunde legte, hielt er Karls Hand nach unten gerichtet, um dem Blut freien Lauf zu lassen. Aus dem dick quellenden Rinnsal wurde ein sprudelnder Strahl, der im Takt von Karls Herzschlag pulsierte. Er hörte Macchiata wimmern; der Geruch von menschlichem Blut machte sie unruhig.
    Nachdem die Hand eine halbe Minute geblutet hatte, drückte Damiano das Handgelenk fest zusammen und verhängte wieder den Zauber zur Stillung des Bluts.
    Das Wasser hatte unterdessen angefangen zu singen und zu blubbern. Damiano tauchte die Messerklinge in den Topf und spießte einen Linnenstreifen auf. Ein Phantom aus weißem Dampf stieg von ihm auf, als er ihn an die kalte Luft zog. Das noch heiße Tuch schlug Damiano über Karls blutige Hand.
    Dann wandte er den Blick von seinem blutigen Werk, sah einen Moment lang ins flackernde Feuer, hob die Augen dann zu den ersten Sternen.
    Der Himmel glich einer Wiese in schimmerndem Blau. Der leichte Wind, der von Minute zu Minute kälter wurde, schien direkt aus diesen ewigen, beständigen Weiten herabzuwehen. Tatsächlich kam er natürlich aus den Alpen herunter, aber das war fast das gleiche. Damiano ließ sich von der Nacht die Augen schließen.
    »Ich hätte mit dieser Sache lieber nichts zu tun«, flüsterte er. »Er kann immer noch sterben.
    Und ich würde mein Lagerfeuer lieber mit jedem anderen teilen als mit diesem mürrischen, feigen Holländer.«
    Er sehnte sich plötzlich nach Raphael, der dem Nachthimmel so ähnlich war. Schon lag ihm der Ruf nach dem Engel auf der Zunge; nicht um eine Lehrstunde im Lautenspiel wollte er ihn bitten, sondern um ein paar Minuten belanglosen Schwatzes am Feuer. Aber dann fiel ihm die Sterbende von Sous Pont Saint Martin ein. Es war Raphael nicht erlaubt, an den Prüfungen oder am Tod eines Sterblichen Anteil zu haben. Und Jan Karl, dessen verstümmelte Hand unter heißen Tüchern brannte, konnte jeden Moment erwachen, würde zweifellos schreiend erwachen, und das würde peinlich werden.
    Außerdem war da ja noch sein Gespräch mit dem Teufel. Konnte Raphael wissen, was sich zwischen seinem bösen Bruder und Damiano zugetragen hatte?
    Ausschlaggebend für Damianos Entschluß, Raphael doch nicht zu rufen, war vielleicht seine Angst, entdecken zu müssen, daß der Erzengel überhaupt nicht mehr erscheinen würde.
     
     
    Es wurde eine anstrengende Nacht, denn Damiano mußte immer wieder die heißen Kompressen wechseln. Und kalt wurde es auch, da Karl, der nach einer Weile heftig zu frösteln begann, beide Decken brauchte.
    Ehe es zu spät wurde, stand Damiano auf, ging ins Dorf und klapperte sämtliche Häuser ab, bis ihm jemand zu einem unverschämt überhöhten Preis etwas Wein verkaufte. Er selbst trank nichts davon, denn er mußte ja wach bleiben; als aber Karl gegen Morgen erwachte – nicht schreiend, aber unablässig weinend –, flößte er ihm den Wein ein.
    Als die Sonne aufging, wurde Karl ruhiger. Damiano brachte ihn dazu, ein Stück mit Wein getränktes Brot zu essen, und dann noch eines. Er betrachtete seinen Patienten aus müden, blutunterlaufenen Augen und dachte im stillen, wie seltsam es doch war, einem Menschen das Leben zu retten und ihn dennoch nicht zu mögen.
    »Ich kann nicht bei Euch bleiben, Jan«, sagte er stumpf. »Ich habe eine Aufgabe, die mir sehr wichtig ist.«
    Karls Miene zeigte Verwunderung.
    »Ich habe nie damit gerechnet, daß Ihr bleiben würdet. Warum solltet Ihr auch?«
    Damiano seufzte. Er kannte alle Gründe, die eigentlich sein Bleiben verlangten: die Wunde war frisch, würde gewiß wieder zu bluten anfangen, vielleicht sich

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