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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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interessiert an.
    »Das ist wahr«, sagte er. »Ich weiß wenig über das Land, außer daß es dort feucht ist. Aber mit zwei verfaulten Fingern hättet Ihr sowieso nie wieder die Niederlande sehen. Und hättet auch nie wieder einen Brief von Eurer braven alten Mutter zu lesen bekommen.«
    »Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben«, erklärte Karl und griff wieder zum Weinschlauch.
    »Dann eben von der Liebsten«, meinte Damiano, während er von neuem mit dem Stein auf den Stecken klopfte. »Oder von wem sonst die Briefe sind, die Ihr in Eurem Bündel hattet.«
    Damiano lachte leise, als er das langsame Begreifen auf Karls Zügen bemerkte. Er griff in eine seiner Satteltaschen und zog das Bündel verblichener Briefe heraus.
    »Sie haben die Gefahr mit mir geteilt, Herr Eulenspiegel«, sagte er, als er dem Flachskopf das Bündel zuwarf. »Das Loch in der Mitte stammt von einem Pfeil, der eigentlich für mein Herz bestimmt war.«
    »Das hat Euch gerettet?« murmelte Karl, während er das kleine Bündel Briefe mit dem sturen Blick eines Halbbetrunkenen betrachtete.
    »Nein, nicht direkt. Gerettet hat mich ein Band von Petrarcas Schriften, der in Holz und Leder gebunden war. Auch diesen verdanke ich unserem gastfreundlichen ersten Zusammentreffen. Ich fand ihn nämlich im Bündel eines Eurer Kumpane, als ich am nächsten Morgen erwachte. Ein schlimmer Morgen war das…« Damiano gab dem Stecken einen letzten, besonders wuchtigen Schlag.
    »Für mich auch«, sagte Karl, den der Wein etwas gesprächiger machte. »Ich holte mir die Erfrierungen an den Fingern, weil ich mich im Schnee niederlegte. Es heißt, das solle man niemals tun, ganz gleich, wie müde man ist.«
    Damiano nickte. »Seht es von der erfreulichen Seite, Jan. Wenigstens sind wir noch am Leben. Alle beide. Was geschah mit den anderen beiden?«
    Karl runzelte die Stirn.
    »Die hab’ ich nie wiedergesehen. Ich weiß nur, daß ich an der Straßenkreuzung rechts abgebogen bin.« Er nahm wieder einen Zug aus, dem Weinschlauch, der, so groß er war, allmählich schlaff zu werden begann. Damiano vermerkte es beifällig. Er hoffte, Jan Karl würde genug trinken, um das Bewußtsein zu verlieren.
    »Vielleicht sind sie nach Aosta weitergezogen«, meinte Damiano nachdenklich. »Aber als ich einen Tag später dort ankam, fand ich sie nirgends. Und Macchiata hat eine gute Nase.«
    »Sie sind wahrscheinlich wieder nach Westen gewandert – dahin, woher wir gekommen sind«, vermutete Karl. »In die Provence. Das wäre das einleuchtendste. Dies hier ist ein schreckliches Land.«
    Während Damiano ein bequemes Lager herrichtete, erzählte Karl. Er redete viel. Er führte einen schier endlosen Monolog. Er berichtete Damiano die Geschichte seiner Jugend auf den Fischerbooten in Amsterdam; er war ein armer Junge gewesen, jedoch mit vielversprechenden geistigen Anlagen. Er berichtete, wie er schließlich nach Avignon gezogen war, um am Sitz des Papstes die Kirchengeschichte zu studieren. Aber Wissen gab es so wenig umsonst wie Brot oder ein Dach über dem Kopf. Der junge Holländer hatte drei magere Jahre durchgestanden und keine anderen Höhen erreicht als zur Fasnachtszeit zum Narrenkönig erkoren zu werden. Danach wurde ihm klar, daß er weder die richtigen Freunde noch die richtige Nationalität hatte, um in der Hierarchie der Kirche dieses Papstes aufzusteigen.
    Und auch nicht das richtige Temperament, dachte Damiano bei sich, während er die in die Decke vermummte Gestalt musterte.
    Karl bemerkte den scharfen Blick seines Zuhörers nicht, als er erklärte, wie er mit Bitterkeit im Herzen und kaum Geld in den Taschen sich aufgemacht hatte, sein Glück in Rom selbst zu versuchen. Auf dem Bergpaß war er mit Pierre Paris zusammengetroffen, den er von der Universität her flüchtig kannte, und mit Breton, der behauptete, Petrarca zu verehren. Die Geschichte, daß sie den Spuren des Dichters auf seiner Reise nach Mailand folgten, hatte sich Paris ausgedacht; das war natürlich ein Märchen gewesen, und in Wirklichkeit waren die beiden Burschen Diebe.
    Damiano lachte leise, während er Kleinholz aufschichtete und ein Feuer entzündete.
    »Alle beide?« fragte er und wandte den Kopf nach Karl um.
    Jan Karl nickte ernsthaft, schloß die Augen und fiel in friedlichen Kinderschlaf.
    Nachdem Damiano Macchiata aufgetragen hatte, das Lager und den Patienten zu bewachen, kehrte er nach San Gabriele zurück, wo er den leeren Weinschlauch am Dorfbrunnen auffüllte. Als er den

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