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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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Macchiata und sich selbst benutzte, bürstete er dem Pferd den getrockneten Schweiß von den Flanken, die Mähne des Wallachs war verfilzt, der Schweif ein trauriger Anblick. Ehe die Sonne versank, sammelte Damiano Holz und zündete ein kleines Feuer an, obwohl er keinen Topf mehr hatte, in dem er etwas hätte kochen können. Als er sich zur Nachtruhe in Umhang und Decke hüllte, war das Schweigen dieses Tages immer noch ungebrochen.
    Wer war diese Saara, daß er sich noch zu Winteranfang auf den weiten Weg in die Lombardei begeben hatte, sie zu suchen? Damiano wußte sehr wenig von ihr, aber das Wenige war mehr als die meisten Piemonter von ihr wußten – und auch die meisten Lombarden. Und das, was er wußte, hatte er vor langer Zeit von seinem Vater gehört.
    Sie war zu seines Vaters Jugendzeit aus dem hohen Norden gekommen, aus Finnland, auf der Flucht vor dem Krieg. Von diesem Krieg wußte Damiano nichts. Und er wußte auch nicht, wo genau sich Saara nach ihrer Flucht ins Exil niedergelassen hatte. Guillermo hatte von einem grünen Hügel gesprochen, der seiner Schilderung zufolge so rund war wie ein Ei und inmitten der lombardischen Seen in die Höhe ragte. Und wiederum Delstrego war es gewesen, der seinem Sohn erzählt hatte, Saara, die Finnfrau, sei die mächtigste Hexe von ganz Italien, ja, vielleicht von ganz Europa. Es war ihm sicher nicht leichtgefallen, das zu bekennen.
    Ja, der Name Saaras war praktisch der einzige eines noch tätigen Hexenwesens – ob nun Mann oder Frau –, der Delstrego überhaupt über die Lippen kam; wahrscheinlich weil sie zu weit weg lebte, um ihm Konkurrenz zu sein. Er hatte seinem Sohn ein recht farbiges Bild von der Zauberin mit den dunklen Zöpfen und den magischen Liedern gezeichnet, der alle Vögel Untertan waren. Sentimental wie er war, hatte Damiano dem Bild noch eigene Nuancen gegeben; er glaubte, die Finnfrau müßte sowohl schön als auch klug sein, fröhlich und tugendsam – oder manchmal auch nur fröhlich.
     
     
    Damiano ließ den Wallach ruhig dahintrotten, während er auf seinem breiten Rücken saß und seine Laute zupfte. Eine Woche lang waren sie jetzt stetig nach Osten gewandert: der junge Mann im Hermelinumhang, der elegante Rappe, der häßliche weiße Hund. Die Zeit und die Anstrengung hatten die Muskeln des Pferdes gestählt, hatten aber auch gleichermaßen den Reiter gestählt.
    Mager allerdings war Damiano immer schon gewesen, und ob nun mager und faul oder mager und robust, er sah nicht viel anders aus als früher. Bei Macchiata jedoch war die Veränderung auffallend. Sie verkörperte jetzt von Kopf bis Schwanz die hartnäckige Kämpfernatur, und unter dem kurzen Fell war das Spiel der kräftigen Muskeln an ihren Oberschenkeln deutlich zu sehen. Dadurch, daß sie so an Umfang verloren hatte, wirkte ihr dreieckiger Kopf größer und schwerer denn je. Sie sprach weniger, während sie der Führung ihres Herrn folgte, aber sie war in so hervorragender körperlicher Verfassung, daß sie den ganzen Tag mühelos mit dem Pferd Schritt halten konnte.
    Damiano schlug vereinzelte Töne auf der Laute an. Die Sopransaite quietschte wie ein Schwein. Das Pferd klappte die kleinen Ohren nach hinten und schüttelte den Kopf.
    »He, Festelligambe, willst du mich vielleicht kritisieren?« murmelte Damiano. »Da kann ich dir nur eines sagen: Du hast von Musik keine Ahnung. Du kannst ja nicht einmal den Takt halten. Und wenn ich mir die Hände erwärmen könnte, bekämst du etwas Einmaliges zu hören.«
    Er hob den Kopf und sah sich seufzend um. Selbst hier, im Süden der Berge, war es kalt. Die Eschen und Eichen des Waldes waren kahl. Aber für ihn war es nicht langweilig, denn er hatte die Augen seines Vaters geerbt, und der Mond war im Zunehmen begriffen. Aus dem Augenwinkel sah er neben der Straße Bewegung in der Erde, die ihm verriet, daß hier eine Maus sich durchs Erdreich wühlte; ein grauer Schimmer markierte das Winternest einer Felsentaube. Diese Flecken Orange unter einem umgestürzten Baumstamm war weder Blatt noch Flechte, sondern ein Fuchs. Damiano ließ es Macchiata nicht wissen.
    Die Bäume schliefen, und das Knarren ihrer Äste klang wie das Schnarchen alter Männer. Damiano ahmte das Geräusch nach, indem er mit zwei Fingern der linken Hand die Baßsaiten seines Instruments am Hals zupfte.
    »Wenn ich könnte, wie ich wollte«, murmelte er dabei vor sich hin, »würde ich einfach an Markttagen so von Ort zu Ort ziehen – und zur Hölle mit der

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