Damiano
verfolgte mit den Augen aufmerksam die Bewegungen seiner Hand, wich aber nicht zurück.
Er fuhr fort: »Mir wurde gesagt – von wem, ist gleichgültig –, daß eine Stadt nur durch Blut und Krieg gedeihen kann, und daß ich Partestrada nur um den Preis seines eigenen zukünftigen Glanzes retten könne. Ich bin zu dir gekommen, um einen anderen Weg zu finden.«
Damiano sprach sehr leise, und während er sprach, zeichnete er mit den Fingern kleine schmeichelnde Kreise auf ihre Schulter. Und Saara war so auf die Bewegung seiner Finger konzentriert, daß sie gar nicht zu hören schien.
Doch sie antwortete: »Ich weiß nichts von Glanz, es sei denn du meinst die Lichter am Winterhimmel. Ich werde nicht mit dir in den Krieg ziehen, Damiano.«
»Dann zeige mir, wie ich es ohne Krieg schaffen kann«, flüsterte er, und als sie angesichts seiner Hartnäckigkeit ironisch zu ihm aufsah, küßte er sie zart auf ihren Mund.
Saara stockte der Atem. Sie schloß die Augen und trat ein paar Schritte von ihm zurück.
»Das ist nicht gut«, sagte sie schwach. »Weder das, was du sagst, noch das, was du tust, Damiano. Ich habe einen Mann, der dich dafür töten würde.«
Sie rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. Damiano betrachtete sie, und sein Lächeln war traurig.
»Vielleicht«, erwiderte er. »Und vielleicht hat es sich gelohnt, Saara.«
»Da gibt es kein Vielleicht«, widersprach sie streng, und als ihr klar wurde, was sie gesagt hatte, fügte sie eilig hinzu: » – daß er dich töten würde, meine ich. Er ist genau wie du; mager und dunkel und unberechenbar. Er heißt Ruggiero, und er stammt aus Rom.«
»Aus Rom!« rief Damiano verletzt. »Dann kann er überhaupt keine Ähnlichkeit mit mir haben. Ich bin Piemonter.«
»Da sehe ich keinen Unterschied – außer daß du viel jünger bist und kein Schwert trägst.
Laß es dir eine Warnung sein, Damiano, und kehre nach Ludica zurück. Die Welt ist voll von bezaubernden Mädchen. Du brauchst keine Mutter, keine Stadt, keine – böse alte Frau wie mich.«
Mit diesen Worten verschwand Saara, und eine blaßgraue Taube flatterte hoch in die Lüfte.
Damiano verfolgte ihren Flug mit den Augen, bis die Sonne ihn blendete. Er hatte es nie zuvor erlebt, daß ein Mensch sich in einen Vogel verwandelte; einen solchen Zauber konnte man mit einem Stab nicht bewirken.
Zu seinen Füßen schnaubte und grunzte etwas. Als er hinuntersah, entdeckte er Macchiata, die ihm ernsthaft ins Gesicht blickte.
»Du hast sie geleckt – geküßt, meine ich«, sagte Macchiata.
»Ja«, antwortete Damiano. »Ich mag sie.«
Immer noch starrte die Hündin ihn an.
»Ich habe noch nie gesehen, daß du jemanden geküßt hast, Herr. Niemanden außer mir.«
Damianos Lippen zuckten, aber er unterdrückte das Lächeln.
»Das ist wahr, meine Kleine, aber heißt das, daß ich niemand anderen küssen darf?«
Macchiata ließ sich das durch den Kopf gehen.
»Carla Denezzi hast du nie geküßt«, stellte sie klug fest.
Damianos Erwiderung war kurz.
»Nein. Aber ich hätte es tun sollen.«
Er kehrte zu dem Felsen zurück, wo immer noch die Bienen summten und das Moos vielfältig schimmernd in Grün, Gold, Rostbraun und Schwarz wie ein Petit Point Kissen sich ergoß.
»Ich hätte es tun sollen.«
Er nahm die Laute zur Hand und begann unschlüssig, die Saiten zu zupfen.
Macchiata zog sich zu ihm hinauf.
»Aber sie mag dich nicht, Herr. Diese hier. Sie sagte, du sollst fortgehen.«
Die Sopransaite trillerte schwach.
»Nur, weil sie nicht möchte, daß ich mit ihrem – ihrem römischen Freund in Streit gerate. Man muß einen anderen schon ein wenig gern haben, wenn man nicht möchte, daß ihm der Kopf abgehackt wird. Natürlich besteht eine solche Gefahr in Wirklichkeit gar nicht. Saara unterschätzt mich. Sie hält mich für jünger als ich bin.«
Er schlug die Baßsaiten mit solcher Kraft, daß sie brummend gegen den Saitenhalter schlugen.
»Sie wird schon zur Vernunft kommen«, meinte Damiano. »Wir kampieren solange hier am Fuße des Hügels.«
Macchiata legte zweifelnd die Ohren an.
»Aber du sagtest doch, Herr – daß wir bald nichts mehr zu essen haben würden. Weißt du noch?«
»Wir brauchen nicht zu essen«, erwiderte Damiano zähneknirschend.
Die Hündin starrte ihn lange Zeit wortlos an.
Das Lager, das er an diesem Abend am Rand des Birkenwäldchens aufschlug, war bescheiden, da er zu Fuß nicht viel hatte mitschleppen können, aber ordentlich, da er die Wiese
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