Damiano
– Linse – oder mein Tropfen Sonnenlicht ist mein Gesang. Meinen Gesang kann mir niemand nehmen.«
Damiano zog die Augenbrauen in die Höhe.
»Musik? Schöne Dame, was für ein hübscher Einfall. Auch ich mache Musik, aber nicht, um damit zu zaubern. Das schiene mir, das Lied zu beschmutzen.«
Saaras rosige kleine Nasenflügel blähten sich, und holzharter Rosmarin kroch über Damianos Hände.
»Das Lied beschmutzen? Nein! Denn sowohl Magie als auch Musik sind heilig.«
»Heilig?« Damiano seufzte. »Die Musik ja, aber die Zauberei… Ich weiß nicht, edle Dame. Ich habe allzuviel gesehen, was durch Zauberei bewirkt wurde und mit Gottes Willen nichts zu tun hatte. Ich gebe meine eigenen Kräfte an den Stab ab, weil sie mich, wenn sie frei in mir pulsieren – weil sie mich trunken machen. Und wer weiß, wozu ich dann fähig wäre.«
Er hob die Augen und sah die hübsche Frau in dem bunten, kindlichen Kleid an.
»Denn ich bin schließlich ein Mann, edle Dame. Und Männer sind manchmal die Sklaven ihrer Leidenschaften.«
Saara schien ihn auslachen zu wollen, besann sich dann aber anders.
»Du mußt deine Kräfte gründlich kennenlernen«, sagte sie ernsthaft. »Du mußt die guten von den bösen unterscheiden lernen. Die reinen von den unreinen. Wenn du vom Geist der Weisheit besessen bist, kannst du nichts Böses tun.«
Damiano konnte das nicht befriedigen. Er schüttelte den Kopf.
»Für dich trifft das vielleicht zu, edle Dame, aber für mich… Ich habe kein solches Vertrauen. Wenn ich einem Geist gestatte, mein Handeln zu bestimmen und dann ein Kind töte oder ein Haus niederbrenne, wer muß dann dereinst vor den Thron des Allmächtigen treten? Der namenlose Geist oder Damiano?«
Er räkelte sich inmitten der herb duftenden, stacheligen Büsche, um es sich etwas bequemer zu machen.
»Außerdem – selbst wenn der Geist rein ist, so bin ich es nicht. In diesem Augenblick, Frau Saara, sehe ich dich an, und ein süßes Verlangen erfüllt mich, das beileibe nicht rein ist.«
Hastig senkte er nach diesen kühnen Worten den Blick zum Boden.
Die Hexe Saara steckte einen Zopfschwanz in den Mund und kicherte wie ein kleines Mädchen.
»Wir haben unterschiedliche Vorstellungen von Reinheit, Damiano. Aber ich sage dir, solange du deine Kraft wie etwas Fremdes von dir abtrennst, wirst du deine volle Stärke nicht entwickeln.«
Er zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen ›na und‹, doch mit seinem Lächeln entschuldigte er sich für die Geste, noch während er sie vollführte.
»Deine Kraft hat mich auf diesem langen Weg durch den Schnee geführt, Saara. Ich brauche deine Hilfe.«
Sie ließ den Zopf fallen. Ihre grünlich schillernden Augen wurden mißtrauisch.
»Du meinst, du bist nicht nur hier heraufgeklettert, um mir deine hoffnungslose Liebe zu gestehen?« fragte sie mit scheinbarer Heiterkeit.
Damiano wartete einen Moment, ehe er antwortete, und ließ seine Finger leicht über die Edelsteine am Knauf seines Stabes gleiten.
»Schöne Dame, ich glaube, ich könnte dir immer und ewig von Liebe sprechen. Wenn meine Liebe hoffnungslos ist, so bin ich tieftraurig darüber, aber da ich dir zur Stunde das erstemal begegnet bin, werde ich mich, denke ich, vielleicht wieder erholen.
Aber ich habe mein ganzes Leben in Partestrada verbracht, und die Stadt befindet sich in einer schlimmen Notlage. Das ist der Grund, weshalb ich deinen Frieden gestört habe; man hat mir gesagt, daß du die mächtigste Hexe Italiens bist.«
Er blickte auf, um zu sehen, ob seine Worte Saara verärgert hatten. Sie schien nur betroffen.
»Wer hat dir gesagt, daß ich die mächtigste Hexe Italiens bin, Knabe? Keiner in Italien kennt mich.« Doch anstatt auf eine Antwort zu warten, fuhr sie zu sprechen fort. »Eine schlimme Notlage, Dami. Das heißt wohl – die Pest?«
Seine Brauen zuckten in die Höhe.
»Heilige Mutter Gottes! Nein! Das nicht! Nicht schon wieder! Ich sprach von Krieg. Und Tyrannei.«
»Ah.« Die eine Silbe drückte ersterbendes Interesse aus. Saara wandte sich von Damiano ab und sah zu den bebenden gelben Birkenblättern hinauf. »Krieg. Dagegen kann ich nichts tun.«
»Nein?«
Einen Moment lang sah er der Möglichkeit ins Auge, daß seine Suche sinnlos gewesen war, daß es für Partestrada und für alle anderen kleinen, fleißigen, unbewaffneten Gemeinschaften keine Hoffnung gab. Da halfen vielleicht weder Logik noch Zauberei, denn die Pest und Pardo waren Schicksal und Gottes Wille. Nur
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