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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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Blut. Damiano ließ sich auf ein Knie nieder und berührte nicht Blut, sondern das rötliche, kurze Fell und den steifen, kalten häßlichen Körper Macchiatas.
    »Macchiata?« murmelte er ungläubig und drehte die Hündin herum. »Meine Kleine?«
    Der Körper war steif wie ein Brett, drei Beine angezogen, eines ausgestreckt, die kleinen Zehen gespreizt wie die Finger einer abwehrenden Hand. Die Lefzen waren in einem Ausdruck des Schreckens hochgezogen, und die Augen – die Augen waren matt und trübe, mehr nicht.
    Nur langsam begriff Damiano. Er zog die erfrorene Hündin auf seinen Schoß und drückte sie an sich. Zum drittenmal schüttelte er ungläubig den Kopf. Sein Stab fiel zu Boden, und er weinte wie ein Kind.
    Saara ging auf ihren Feind zu. Barfuß schritt sie durch den Schnee. Ihr Gesicht war ohne Farbe; ihre Augen ausdruckslos. Die schmalen Schultern unter dem farbenfrohen Filzkleid waren hochgezogen und nach vorn gekrümmt, als erwartete sie, geschlagen zu werden.
    Sie hob eine Hand mit ausgestrecktem Finger und senkte sie wieder. Reglos und ungesehen stand sie vor Damianos Schmerz.
    »Ach, Macchiata«, klagte er leise und streichelte den weißen Kopf. Es war, als streichle er ein Stück Holz; selbst das kleine, weiche Ohr, das wie ein Blütenblatt geformt war, war steif. »Meine Kleine. So klein und tot. Warum muß das sein?«
    Und bei dieser Frage erwachte die Erinnerung an die Worte, die Macchiata selbst gesprochen hatte, als sie in Sous Pont Saint Martin um das kleine Kind getrauert hatte. »Es ist so klein. Kann es nicht leben?«
    »Nein, Macchiata. Das kann es nicht«, hatte er geantwortet.
    Und bei dieser Erinnerung wurde sein Schmerz noch quälender.
    Er hob den Kopf und sah Saara barfüßig im Schnee stehen. Ihre Arme hingen zu beiden Seiten schlaff herab. Ihre schlichte, mädchenhafte Gestalt waberte vor seinen Augen, als sähe er sie durch einen Wasserspiegel. Er stand auf. Der Stab war wieder in seiner Hand.
    »Er war mein Mann«, sagte sie. »Er hat mich geliebt. Er fand mich schön. Ich bin nicht jung, Dami. Ich bin alt. Wo werde ich wieder einen wie ihn finden?«
    Damiano antwortete nicht. Vielleicht hörte er sie gar nicht. Er hörte das Tosen des Feuers in seinen Ohren und wußte, daß die Flammen nahe waren, um durch seinen Stab gesogen zu werden wie Luft durch das Rohr einer Flöte. Er neigte den Kopf zur Seite, um zu hören was das Feuer ihm sagte.
    Saara blickte in sein Gesicht und wandte sich zur Flucht.
    Der weiße Vogel stieg in die Lüfte, aber Feuer raste wie Peitschenschlag am Himmel entlang. Sie stieß herab und landete, und ein Tier, das aussah wie ein zottiges Reh, sprang davon. Es hatte ein mächtiges, nach hinten geneigtes Geweih, und seine Hufe waren breit wie die Füße eines Kamels.
    Es war wahr, was sie mir erzählt hat, dachte Damiano. Sie hat mich nicht belogen. Es gibt ein solches Tier.
    Züngelnde Flammen näherten sich dem Fichtenwald; dort, wo sieden Schnee berührten, wurde die Luft milchig weiß vom aufsteigenden Dampf. Sie erreichten den Rain der Wiese vor dem springenden Tier und machten eine seitliche Schwenkung, so daß sie sowohl das Tier als auch seinen Fänger mit einer Mauer tödlicher Hitze umzingelten. Das Gras zischte. Das Feuer verbrannte Holz, Erde, Schnee. Es brauchte nichts als sich selbst, um zu brennen.
    Und das ist nur der Anfang, dachte Damiano ohne jedes Gefühl. Die Hölle ist unermeßlich groß; ich könnte diesen ganzen Hügel kohlschwarz brennen. Die ganze Lombardei.
    In die Enge getrieben, drehte Saara sich um, und als sie ihre Tiergestalt abwarf, hüllten die dichter werdenden Rauchschwaden sie ein und verbargen sie. Aber das änderte nichts. Damiano konnte ihre Anwesenheit auf seinen geschlossenen Lidern spüren. Er ging auf sie zu.
    Krachender Donner rollte plötzlich über den Himmel, und die Wolken über den beiden Hexen taten sich auf. Strömender Regen prasselte auf die Erde nieder.
    Die Flammen des Feuerrings zuckten zischend zusammen, und einen Moment lang sah Damiano Saara ganz deutlich: eine zierliche, schlanke Gestalt, die im plattgedrückten Gras kniete, während ihr der Regen in Triefbächen die langen Zöpfe herab und über den Körper lief. Ihre Hände waren zum Himmel erhoben. Sie sang.
    Sie war so schön wie eine Dryade, wie ein Kind. Ihre Schönheit bereitete Damiano Schmerz, und mit seinem Schmerz entfachte er das Feuer von neuem, so daß es noch höher züngelte. Saara schrie auf bei der Berührung des kochend

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