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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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heißen Dampfes. Damiano empfand nichts.
    Die Wolken hoben sich, aber im Gras kniete keine Frau; nur eine Schar Tauben saß dort, die ihn beobachtete. Er schloß wieder die Augen und trat auf Saara zu.
    Ein gewaltiger Bär richtete sich drohend vor ihm auf, mit aufgerissenem Rachen. Riesengroß. Er schlug mit einer Pranke nach ihm, die breiter war als Damianos Körpermitte. Damiano wich dem Schlag mit einem Sprung aus und schoß Feuergarben auf die Augen des Tieres. Dieses fuhr herum und löste sich auf.
    Ein Blitz fuhr auf Damiano herab, und der Stab sog ihn auf und sang dabei wie aus Freude. Damiano schleuderte den Blitz auf die Frau, die vor ihm stand, und sie stürzte zu Boden.
    Er beugte sich über sie. Aus dem schlangenähnlichen Gewirr seiner dunklen Locken rann Wasser und tropfte ihr ins Gesicht. Er stellte einen Stiefel auf ihren Körper; der abgerissene Absatz blieb an den roten und gelben Sternen hangen und zerriß sie. Den silbernen Knauf seines Stabs drückte er ihr an die Kehle.
    »Schluß mit dem Gesang«, sagte er.
    Dann hob er den Kopf. Der Feuerring, der nicht mehr genährt worden war, war erloschen; Saaras Regen jedoch strömte weiter herab, kalt und grau. Damiano knirschte mit den Zähnen und starrte blind vor sich hin.
    Noch einen Augenblick, und er würde sie töten. Oder davongehen. Er wünschte – er wußte nicht, was er wünschte.
    Aber der Stab wußte, was er – der Stab, nicht Damiano – wünschte. Und er sagte es Damiano, bediente sich dazu der gleichen Sprache, die das Feuer verwendet hatte. Er wünschte Wachstum – Macht. Er vibrierte in seiner Hand.
    Saara schrie auf und rang nach Luft. Damiano sah überrascht zu ihr hinunter. Aller Haß war von einer Sekunde zur anderen vergessen. Er hob seinen Fuß.
    Und dann traf ihn ein Schlag von größerer Wucht und Gewalt als der des Blitzes. Er fuhr durch das Holz des Stabs, raste seinen Arm hinauf, traf ihn mitten ins Herz und am Kopf.
    Er war kalter Regen und weite Ferne und endloser Fall. Er war Sonnenlicht und fremdartige Lieder und ein Kauderwelsch sinnloser Wörter. Damiano trieb im Nichts der Betäubtheit. Er hätte den Stab von sich geschleudert, hätte er gewußt, wie er es anstellen sollte. Aber er war jetzt nicht mehr der Herr und Meister. Der Stab war von Damianos Vater geschaffen worden, und in diesem Augenblick wurde er wieder zum Geschöpf seines Schöpfers. Er war voller Kraft und voller Gier. Er zog den jungen Damiano in seinen eigenen zauberischen Bann.
    Aber er war die einzige Waffe, die Damiano besaß, die er zu gebrauchen verstand, und darum kämpfte er mit dem schwarzen Stab gegen das Chaos, bis es besiegt war.
    Die Zeit verstrich.
    Saara schrie noch immer klagend. Regen peitschte ihm ins Gesicht. Damiano stand schwankend auf. Er machte dem Regen ein Ende.
    Entsetzt und staunend zugleich sah sie zu ihm auf.
    »Du verfügst über alles«, flüsterte sie und duckte sich im durchweichten Gras ganz klein zusammen. »Alles, was dein Vater wollte.«
    Er blickte auf das dichte Haar der Frau hinunter, das an den Schläfen ergraut war, und er sah in ihre Augen, die von Fältchen und Runzeln umkränzt waren. Auf dem Rücken ihrer zu Fäusten geballten Hände traten die Sehnen hervor, und die Venen bildeten ein blaßblaues Netzwerk. Ihr Gesicht war vom Dampf verbrannt.
    Doch nichts, was er sah, war ihm jetzt Überraschung, denn er kannte Saara sehr gut – ihren Körper, ihren Gesang, ihre Kräfte, die die seinen geworden waren.
    »Du bist immer noch schön, pikku Saara«, sagte er, ohne selbst zu wissen, daß er die Sprache des hohen Nordens sprach. »Und du bist auch nicht alt.«
    Saara wandte ihm das Gesicht zu, und was sie sah, tat ihren Augen weh. Sie begann zu zittern.
    Damiano ging hinkend davon. Inmitten der Wüste, die einst ein Garten gewesen war, blieb er stehen und klopfte mit seinem Stab auf die Erde. Graswurzeln rissen aus und Steine barsten. Eine schwarze Grube gähnte vor ihm. In diese Grube bettete er die Leiche einer Hündin. Noch einmal legte er den kurzen Weg zur Seite des Toten zurück, hob nicht Ruggiero auf, sondern die Trümmer der kleinen Laute, und legte sie in das Grab zu Macchiata. Einen Augenblick später schloß die Erde ihren Schlund.
    Ohne das Grab zu kennzeichnen, wandte sich Damiano von der Wiese ab, wo ein winterlicher Wind über die verwüstete Erde blies. Er warf keinen Blick zurück auf Saara.

Als er die tiefe Stille und Abgeschiedenheit des Fichtenwaldes erreicht hatte, setzte er sich auf

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