Damit Dein Leben Freiheit Atmet
haben, begehren, lieb, freundlich und gut. Urlaub meint dann die Zeit, in der ich mir erlaube, so zu sein, wie ich bin. Ich steige aus, aus dem Dienstverhältnis. Ich steige aus, aus dem Erwartungsdruck der Menschen. Es ist mir gleich, was die anderen von mir wollen.
Ich darf mir erlauben, mein eigenes Leben zu leben, mir meine Wünsche zu erfüllen, ohne Rücksicht auf das, was nützlich ist, was Geld bringt. Der Mensch braucht diese Erlaubnis, einfach zu sein, einfach zu leben. Sonst definiert er sich nur noch von seinem Dienstverhältnis, von seiner Funktion, von seiner Rolle, die er in der Gesellschaft spielt.
Urlaub heißt aber auch, daß ich mich selber gerne habe, daß ich gut mit mir umgehe, daß ich mir Gutes gönne. Viele können heute keinen Urlaub machen, weil sie sich nicht gern haben, weil sie sich selbst nicht lieben. Für sie ist der Urlaub ein einziger Streß. Sie müssen viel erleben, weil sie nicht fähig sind,
-134-
wirklich zu leben, weil sie nicht bei sich sind. Sie können nicht im Augenblick leben. Doch die Fähigkeit zu leben hat mit der Fähigkeit zu tun, ganz im Augenblick zu sein, ganz bei mir und in mir zu sein. Viele sind im Urlaub auf der Flucht vor sich selbst. Sie lieben sich nicht, sondern sie hassen sich. Deshalb sind sie auch im Urlaub gehetzt. Sie hetzen von einem Ort zum ändern, um vor sich selbst davonzulaufen.
Die frühen Mönche haben diese Haltung der Ruhelosigkeit
»akedia« genannt. Es ist die Unfähigkeit, im Augenblick zu sein. Akedia ist die Weigerung, sich auf das einzulassen, was gerade ist. Es sind die Menschen, die stöhnen, daß sie zuviel Arbeit haben. Wenn sie arbeiten, möchten sie am liebsten Urlaub machen. Doch wenn sie im Urlaub sind, ist es ihnen langweilig. Sie können weder das Arbeiten noch das Beten, ja nicht einmal das Nichtstun genießen. Das Nichtstun zu genießen ist aber die Voraussetzung, mich ganz auf den Augenblick einzulassen. Ich genieße es, frei zu sein, nichts leisten zu müssen, keine Urlaubsbilder daheim vorweisen zu müssen. Ich halte nichts fest, sondern genieße den Augenblick.
Viele Menschen kommen vom Urlaub gestreßt zurück. Sie haben sich nicht erholt. Sie haben sich nicht geholt, was sie brauchen. Ihr Urlaub war keine Ferienzeit. Ferien bezeichnen die geschäftsfreien, die gerichtsfreien Tage, die Ruhetage. Bei vielen ist der Urlaub nicht geschäftsfrei. Sie sind ständig mit etwas beschäftigt. Sie machen einen geschäftigen Eindruck und sind unfähig, wirklich zur Ruhe zu kommen. Es ist keine gerichtsfreie Zeit. Ständig richten und urteilen sie über sich selbst oder über andere. Manche müssen jedes Essen beurteilen, das sie im Ausland vorgesetzt bekommen. Sie sitzen zu Gericht über die andersartigen Menschen. Sie sind unfähig, das Fremde wahrzunehmen und sich davon bereichern zu lassen. Weil sie über sich oder andere richten, weil sie alles bewerten, haben sie Angst vor dem Augenblick, in dem sie nicht über andere reden können, sondern mit sich selbst und ihrer eigenen Wahrheit
-135-
konfrontiert sind.
Andere sehnen sich danach, im Urlaub einmal eine Woche ganz allein auf einer Hütte oder auf einer einsamen Insel zu sein.
Sie möchten von allem befreit sein, was sie während des Jahres belastet. Solche einsamen Zeiten in einfachen Verhältnissen sind immer reinigende Zeiten. In der Stille der Einsamkeit kann sich die Verknotung unklarer Gedanken lösen. Auf einmal kann man wieder klar sehen, worum es eigentlich ge ht und was man im Grunde möchte. Der Urlaub wäre eine gute Zeit, sich von vielem „inneren und äußeren Ballast“ zu befreien. Aber er will auch gut geplant sein. Manche nehmen sich zuviel vor. Sie möchten den Urlaub möglichst gut ausnützen und alles sehen, was sich ihnen anbietet. Doch dann stopfen sie auch die freie Zeit mit Beschäftigung zu. Ein solcher Urlaub kann die Seele nicht reinigen. Daher ist es sinnvoll, seine Urlaubsgestaltung einmal unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen, ob man zufrieden ist, wie der Urlaub in den letzten Jahren gelaufen ist.
Was täte der Seele gut? Wonach verlangt der Leib? Wie müßte der Urlaub aussehen, damit er zur Reinigungskur werden kann?
-136-
Geistliche Begleitung
Eine uralte Weise der spirituellen Reinigung ist die geistliche Begleitung. Ähnlich wie in der Therapie geschieht die Katharsis vor allem durch Erzählen. Ich erzähle dem Begleiter, was mich bewegt. Der Begleiter fragt nach, um zu klären, worum es wirklich geht, was mein
Weitere Kostenlose Bücher