Damit Dein Leben Freiheit Atmet
eigentlichen Problem und zu seiner Klärung geführt haben. Für mich ist es daher wichtig, daß ich vor jedem
Begleitungsgespräch für den bete, der jetzt zu mir kommt. Das Gebet befreit mich von meinem Ehrgeiz, selbst etwas machen zu müssen, und manchmal auch von meinen Vorurteilen, die ich bei manchen Gästen in mir wahrnehme. Wenn ich für den andern bete, werde ich offen für ihn, so wie er ist. Und ich traue Gott zu, daß er sein Herz berührt und in ihm Reinigung bewirkt.
Nicht nur der geistliche Begleiter, sondern auch der, der die geistliche Begleitung in Anspruch nimmt, muß zur Reinigung
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seines Inneren beitragen. Er darf die Verantwortung nicht dem Begleiter überlassen. Seine Aufgabe ist es, sich immer wieder ehrlich zu fragen, was ihn auf seinem Weg hemmt, was ihn innerlich beschmutzt, was sein wahres Wesen verstellt und wo er sich Gott gegenüber verschließt. Wie die blutflüssige Frau muß er dem geistlichen Begleiter die ganze Wahrheit hinhalten.
(Vgl. Mk 5,33) Und es braucht die Bereitschaft, sich von allem zu lösen, was ihn innerlich blockiert und woran er sich festklammert. Er muß sich vor dem Gespräch Gedanken machen, was er ansprechen und bearbeiten möchte und mit welchem Ziel er in das Gespräch geht. Manche möchten dem Begleiter die Verantwortung für ihren Reinigungsprozeß zuschieben. Doch es liegt immer an mir, wie ich in das Gespräch gehe und ob ich wirklich bereit bin, den ganzen Schmutz anzuschauen und zu reinigen. Ich muß mich ehrlich fragen: Möchte ich wirklich all meinen inneren Unrat offenlegen, oder sage ich nur das, was meinem frommen Selbstbild entspricht?
Habe ich den festen Willen, mich auf den Reinigungsprozeß einzulassen, auch wenn er weh tut, oder möchte ich lieber ungeschoren davonkommen und nur ein nettes Gespräch haben, in dem ich meinem eigenen Narzißmus huldige? Die Reinigung geschieht nicht immer in einem warmen Schaumbad, sondern oft genug durch Feuer und Schwert. Wenn ich mich auf geistliche Begleitung einlasse, wird sie mich oft genug auf einen beschwerlichen Weg ehrlicher Selbstbegegnung und
schmerzlicher Läuterung schicken.
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Exerzitien
Für den Ignatius von Loyola (1491 bis 1556) sind Exerzitien dazu da, das Fundament des eigenen Lebens zu entdecken und im Blick auf das Leben Jesu, in das man sich hineinmeditiert, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dabei soll sich der Exerzitant in die Haltung der Indifferenz begeben, um frei zu sein von eigenen Absichten. Ignatius möchte mit seinen Exerzitien den Christen befähigen, in seinem Innern die Geister zu unterscheiden und den Willen Gottes zu erkennen. Dazu ist es notwendig, die eigenen Gedanken und Emotionen zu beobachten und sie von Verwicklungen zu reinigen. Diese Selbstbeobachtung hat Ähnlichkeiten mit der Methode des Evagrius Ponticus, der die Leidenschaften genau analysiert, um von ihrer Herrschaft frei zu werden und im Gebet das Einswerden mit Gott zu erfahren. Die Haltung der Indifferenz ist die Bereitschaft, sich für den immer wieder neuen Anruf Gottes offen zu halten und frei zu werden von den persönlichen Absichten, die sich oft in unsere Beziehung zu Gott hineinmischen.
Heute werden viele Formen von Einzelexerzitien, von Rüstzeiten oder Retreats angeboten. Ein entscheidender Zug an all diesen Formen ist die innere Reinigung, die in diesen Tagen der Stille und des Austauschs mit dem Exerzitienbegleiter geschehen sollte. Die Reinigung geschieht, indem sich der Exerzitant oder die Exerzitantin mit einem biblischen Text konfrontiert und diesen Text in drei oder vier einstündigen Gebetszeiten meditiert. In der Meditation konfrontiert man seine Seelenregungen mit dem biblischen Text, um sich über die eigenen Gedanken und Emotionen klarzuwerden. Diese
Konfrontation mit dem biblischen Text ist eine gute Hilfe, das Innere von all dem zu reinigen, was sich darin eingeschlichen
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hat. Das Wort Gottes wird in der Meditation oft zu einem zweischneidigen Schwert, das die Gedanken von den Emotionen befreit, die sich daran festgekrallt haben. Indem ich mich auf den Text der Hl. Schrift einlasse, erkenne ich, welche Mechanismen sich in meine Gedankengänge eingeschlichen haben. Ich meine, ich würde selber denken. Doch nun geht mir in der Stille auf, wie meine Gedanken von außen gesteuert werden, von irgendwelchen Absichten, von Ressentiments, von Angst, die mich davon abhält, die Wahrheit anzuschauen. Meine Gedanken machen immer dann halt, wenn es für mich
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