Damit Dein Leben Freiheit Atmet
gefährlich werden könnte, wenn sie mich dazu bringen würden, mein Leben von Grund auf zu ändern. Indem ich dem
Exerzitienbegleiter erzähle, wie es mir bei den Gebetszeiten ergangen ist, wird mir klarer, wo meine Gedanken verunreinigt sind von egoistischen Absichten, von Kränkungen, von Bitterkeit, von der Weigerung, mich wirklich auf Gott einzulassen. Es ist oft ein schmerzlicher Prozeß, sich dieser inneren Verunreinigung zu stellen. Doch innerhalb einer Woche können die Stille, die Konfrontation mit dem biblischen Text und das Gespräch zu einer Reinigung führen, die mich befreit.
Der Wille Gottes ist dann am Ende der Exerzitien nicht mehr etwas Bedrohliches, sondern etwas, das mich wirklich zum Leben führt, zu meiner eigenen Wahrheit. Nur die Wahrheit befreit. Das hat schon Jesus seinen Jüngern zugesagt. (Vgl. Joh 8,32) Nur wenn ich in den Gebetszeiten meine ganze Wahrheit Gott hinhalte, damit sein Licht in alle Abgründe meiner Seele eindringen kann, werde ich im Laufe der Exerzitien innere Befreiung und Reinigung erfahren. Manchmal glauben wir, wir würden Gott alles hinhalten, was in uns ist. Doch in Wirklichkeit behalten wir es doch für uns. Daher ist es eine gute Übung, das, was wir vor Gott erfahren haben, unsere Widerstände gegen den Text, unser Abschweifen und
Ausweichen, unsere Verschlossenheit und unser
Betroffenwerden, dem Begleiter zu sagen. Indem ich nichts
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beschönige, können sich innere Verwicklungen klären. Und ich komme an die eigentlichen Blockaden, die mich davon abhalten, meinen inneren Schmutz aus mir herauszuwerfen.
Manche berichten im Gespräch, was ihnen alles an Einsichten in der Meditation aufgegangen ist. Man hat den Eindruck, sie hätten theologische Studien betrieben. Aber ihr Herz bleibt dabei verschlossen. Solche Exerzitanten können sich eine ganze Woche mit den biblischen Texten befassen und finden es interessant. Aber es geschieht kein Reinigungsprozeß.
Läuterung kann nur geschehen, wenn ich das Wort der Schrift in alle Abgründe meiner Seele eindringen lasse und wenn ich alles, was das Wort Gottes in mir aufdeckt, auch ausspreche. Da kann ich dann vor dem Exerzitienbegleiter nicht glänzen. Vielmehr werde ich oft beschämt sein über den inneren Schmutz, der da zutage gefördert wird. Aber nur wenn ich den Mut zur Wahrheit habe, werden mich die Exerzitien mehr und mehr läutern. Dann habe ich nach den Exerzitien das Gefühl, innerlich klar zu sein.
Ich freue mich an der inneren Lauterkeit, die trotz allen Unrats auch in mir ist. Meine Seele vermag wieder neu zu atmen und die Freiheit und Weite zu genießen, in die mich das Wort Gottes geführt hat.
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VIII. Die Vollendung der Reinigung
Der Mensch vermag sich nie so zu reinigen, daß er
vollkommen rein vor Go tt treten kann. Weder Exerzitien noch Fasten, weder Gebet noch Meditation können ihn von allem inneren Schmutz befreien. Gott selbst wird im Tod den Menschen von allen Makeln und Flecken reinigen, damit er fähig wird, mit ihm eins zu werden. Alle Religione n wissen von einer endgültigen Reinigung. Viele sprechen von einem eigenen Reinigungsort, an den der Mensch nach dem Tod gelangt, um für den Himmel bereitet zu werden. In der christlichen Tradition wurde dieser Reinigungsort »Purgatorium« genannt. »Purgare«
heißt »rein machen«. An diesem Ort werden wir rein gemacht.
Da müssen wir selbst nichts mehr tun. Im deutschen Sprachraum sprach man von »Fegfeuer«. Gemeint ist das Feuer, das das Unreine wegfegt und säubert. Die Bibel selbst kennt die Vorstellung vom Fegfeuer nicht. In der Kirche hat Origenes diese Lehre als erster entwickelt. Er übernimmt dabei die Vorstellungen aus der griechischen Gedankenwelt, etwa des Philosophen Platon oder der orphischen Tradition. In der lateinischen Tradition wurden Tertullian und Augustinus in ihren Vorstellungen von einem Reinigungsort nach dem Tod von der Äneis des Vergil beeinflußt, der von einem Abstieg in die Unterwelt und von der Läuterung des Menschen durch Feuer sprach.
In der Volksfrömmigkeit wurden oft sehr abstruse
Vorstellungen vom Fegfeuer weitergegeben. Man glaubte daran, daß man die Armen Seelen aus dem Fegfeuer befreien könne, wenn man jeweils einen Ablaß für sie bete. Martin Luther hat dagegen protestiert. Er lehnt die Lehre vom Fegfeuer ab, weil dann die Erlösung durch das Kreuz entwertet würde. Er wittert
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darin eine Werkgerechtigkeit, als ob man die Läuterung der Seelen durch Geld und
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