Damit Dein Leben Freiheit Atmet
Ablaßgebete selbst bewirken könne.
Sicherlich sind in die Vorstellung vom Fegfeuer falsche Bilder von Gott und von der Erlösung durch Jesus Christus
eingeflossen. Doch wenn wir das Bild des Fegfeuers und des Purgatoriums theologisch bedenken, so steckt darin doch etwas Wahres. Im Hinduismus meint man, der Mensch müsse sich durch viele Reinkarnationen immer mehr läutern, damit er mit Gott eins werden kann. Wir Christen glauben, daß das, was wir an Reinigungsarbeit leisten können, weit zurückbleibt vor der Reinheit Gottes. Wir stehen nicht unter dem Leistungsdruck, alles in uns perfekt reinigen zu müssen. Auch wenn wir uns durch Gebet und Meditation noch so sehr geläutert haben, werden wir uns vor Gott immer noch unrein fühlen. Daher wird Gott selbst uns reinigen. Aber diese Reinigung ist keine Strafe, sondern sie geschieht in der Begegnung mit dem liebenden Gott.
Es ist letztlich die Liebe Gottes, die uns reinigt. Es ist immer Gott, der uns läutert, und nicht unser eigenes Tun. Wir müssen es nur an uns geschehen lassen.
Wir kennen die Erfahrung der Läuterung auch in der
Begegnung mit dem geliebten Menschen. Je näher wir dem Ehepartner, der Ehepartnerin, in der Liebe kommen, desto schmerzlicher erkennen wir, wie hart wir sind, wie vieles in uns unklar und unrein ist. Wir erkennen, daß wir an uns selbst
„vorbeileben“, daß wir uns von weltlichen Maßstäben leiten lassen, von der Gier nach immer mehr, daß wir abhängig sind vom Urteil der anderen und uns deshalb immer wieder verbiegen und unser wahres Sein verleugnen. Im Blick des Geliebten erkennen wir unsere tiefste Wahrheit. Und diese Erkenntnis ist immer mit Schmerz verbunden. Im Licht der göttlichen Liebe erkennen wir alles, was in uns fehlerhaft ist, was vermischt ist mit unlauteren Motiven. Von Gott liebend angeschaut, wird uns die eigene Lebenslüge bewußt. Doch die Liebe führt nicht nur zur schmerzlichen Selbsterkenntnis. Die
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Liebe hat auch läuternde Kraft. Die Liebe eines geliebten Menschen nimmt uns trotz unserer Fehler und Schwächen an.
Und im Augenblick der Begegnung mit dem Geliebten
geschieht in uns Reinigung. Wir fühlen uns durch den Blick der Liebe geläutert. Die Liebe macht uns rein. So dürfen wir uns auch die endgültige Reinigung im Augenblick des Todes vorstellen. Dort wird die Liebe Gottes alles in uns ausbrennen, was noch befleckt und verunstaltet ist. Und wir werden durch die Liebe Gottes rein und klar.
Die Vorstellung von einem Reinigungsort nach dem Tod entlastet uns vom Druck unseres eigenen Perfektionismus, daß wir uns vor Gott ganz und gar reinigen müßten. Wer allzusehr auf seine Reinheit bedacht ist, wird in sich viel Unreines verdrängen. Je reiner einer sein will, desto mehr Unreinheit bekommt oft seine Umgebung mit. Denn er wird all das Unreine, das er bei sich nicht wahrhaben will, auf die anderen projizieren. Als Menschen sind wir nicht imstande, alles in uns zu klären und zu läutern. Wir werden immer wieder erleben, daß unsere Seele sich befleckt und verunreinigt. Es gehört zur Demut, daß wir zugeben, nie die absolute Reinheit erreichen zu können. Wir werden immer wieder zwischen rein und unrein hin- und herschwanken. Unsere weiße Weste wird im Laufe unseres Lebens oft genug beschmutzt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als unseren Schmutz in die reinigende Liebe Gottes zu halten. Die reinigenden Rituale können uns dabei unterstützen.
Aber sie vermögen nicht, unseren Schmutz für immer
abzuwaschen. Das wird Gott im Tod tun, wenn wir seiner grenzenlosen Liebe begegnen. Aber der Reinigungsort ist kein Ort, an dem wir für eine gewisse Zeit bleiben müssen, um unsere Sünden abzubüßen. Der Ort der Reinigung ist vielmehr die Liebe Gottes, der wir im Tod in ihrer unverstellten Fülle begegnen. Fegfeuer ist der Augenblick der Begegnung, aber keine zeitliche Strafe, die wir durch Gebete und Opfer verkürzen
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könnten. Mit unserem Gebet für die Verstorbenen begleiten wir sie in ihrer Begegnung mit Gott, damit sie sich bedingungslos in diese Liebe fallen lassen. Wenn sie sich in die Liebe Gottes fallen lassen, dann sind sie rein, geläutert durch die Liebe. Und wir dürfen darauf vertrauen, daß auch wir in unserem Tod von Gottes Liebe so angezogen werden, daß wir durch den Schmerz der Läuterung hindurchgehen, um in Gott für immer daheim zu sein, um mit dieser Liebe Gottes eins zu werden.
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Schluß
Ursprünglich hat mich der Begriff »Reinigung«
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