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Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Titel: Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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Wohngegend spazieren, obwohl er seine Nachbarn inzwischen nicht mehr so gut kannte, wie er mir erzählte.
    »Damals in der Bronx, als ich noch ein Kind war«, sagte er, »da kannte jeder jeden. Alle in unserem Mietshaus waren wie eine große Familie. Jeder kümmerte sich um jeden.
    Ich weiß noch, wie ich eines Tages, als ich großen Hunger hatte, einen Lieferwagen mit Obst und Gemüse vor unserem Haus stehen sah. Ich versuchte ihn anzustoßen, damit vielleicht ein Apfel von der Ladefläche fiel, weil ich dachte, dann sei es kein Diebstahl.
    Plötzlich hörte ich jemanden von oben auf Jiddisch schreien: ›Das ist verboten, Albert!‹ Ich erschrak fürchterlich, weil ich dachte, Gott hätte zu mir gesprochen.«
    Und wer war es?, fragte ich.
    »Eine Nachbarin aus einem oberen Stockwerk.«
    Ich lachte. Also doch nicht Gott.
    »Nein. Aber sehen Sie, Mitch, wir waren alle miteinander verbunden. Wenn einer ausrutschte, wurde er von den anderen aufgefangen.
    Und das ist die wichtigste Funktion einer religiösen Gemeinde. Wir nennen es eine ›Kehilla Kedoscha‹ – heilige Gemeinde –, doch das sind wir im Begriff einzubüßen. Die Vororte haben alles verändert. Heutzutage hat jeder ein Auto und einen Haufen Termine. Wie soll man sich da noch um seinen Nachbarn kümmern? Man ist ja schon froh, wenn eine Familie überhaupt noch gemeinsam eine Mahlzeit einnimmt.«
    Der Rebbe schüttelte den Kopf. Grundsätzlich war er allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. Aber diese Art von Fortschritt behagte ihm offensichtlich gar nicht.
    Dennoch sorgte er auch im Alter dafür, dass seine eigene heilige Gemeinde erhalten blieb. Jeden Tag studierte er sein Adressbuch. Dann tippte er in das Telefon mit den extragroßen schwarzweißen Tasten, das ihm seine Enkel geschenkt hatten, um ihm das Telefonieren zu erleichtern, Nummern ein.
    »Hallooo, hier spricht Albert Lewis, und ich möchte mit …«
    Er achtete auf die besonderen Ereignisse im Leben der Menschen, die er kannte, – Geburtstage oder den Beginn des Ruhestands –, und meldete sich bei ihnen. Dann hörte er geduldig zu, wenn die Leute ihm von ihren Sorgen und Freuden erzählten.
    Besonders fürsorglich kümmerte er sich um die älteren Gemeindemitglieder, »damit sie nicht das Gefühl haben, vergessen zu werden«.
    Ich fragte mich insgeheim, ob der Rebbe damit nicht auch sich selbst meinte.
    Ich dagegen unterhielt mich mit etwa hundert Menschen pro Woche, meist über E-Mail oder SMS. Ohne meinen BlackBerry ging ich nirgendwo hin. Meine Unterhaltungen bestanden zum Teil aus wenigen Worten. »Ruf morgen an.« – »Bis dann.« Es waren ausgesprochen kurze Gespräche.
    Davon hielt der Rebbe gar nichts. Er schrieb keine Mails. »Wie soll ich denn bei einer E-Mail merken, ob etwas nicht stimmt?«, sagte er. »Schreiben kann man alles. Ich möchte die Menschen sehen, und wenn das nicht möglich ist, dann möchte ich sie wenigstens hören. Wie soll ich ihnen denn helfen, wenn ich sie weder sehen noch hören kann?«
    Er seufzte.
    »Früher allerdings …«, sagte er.
    Dann trällerte er plötzlich: »Frühüher … da ging ich … von Tür zu Tür …«
    Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Kind die Gardinen beiseiteschob und auf die Straße hinausspähte, wenn ich hörte, dass der Rebbe jemandem einen Besuch abstattete. Manchmal sah ich dann seinen Wagen vor einem der Häuser. Damals war es noch normal, dass Ärzte Hausbesuche machten und der Milchmann die Flaschen direkt vor die Tür stellte. Alarmanlagen hatte niemand.
    Der Rebbe kam, wenn Trost vonnöten war. Er kam, wenn ein Kind weggelaufen war oder jemand seine Stelle verloren hatte. Wäre es nicht schön, wenn in so einem Fall auch heutzutage noch ein Mann Gottes zu den Menschen nach Hause käme, mit ihnen am Tisch säße und ihnen Mut zuspräche?
    Doch diese Vorstellung erscheint einem inzwischen geradezu vorsintflutlich oder sogar aufdringlich. Jeder möchte seine »Intimsphäre« bewahrt sehen.
    Machen Sie denn heute noch Hausbesuche?, fragte ich.
    »Nur wenn ich darum gebeten werde«, antwortete der Rebbe.
    Werden Sie auch manchmal von Leuten gerufen, die nicht Ihrer Gemeinde angehören?
    »Gewiss. Vor zwei Wochen zum Beispiel bekam ich einen Anruf vom Krankenhaus. ›Eine Sterbende bittet um einen Rabbiner‹, hieß es. Ich bin natürlich hingegangen.
    Als ich ins Krankenhaus kam, saß ein Mann am Bett dieser Frau, die um Atem rang. ›Wer sind Sie?‹, fragte er. ›Was wollen Sie hier?‹
    ›Man hat mich

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