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Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Titel: Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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Rebbe hielt es für hilfreich, wenn Geistliche jedweder Glaubensrichtung sich in allen Gemeinden heimisch fühlten.
    Es war der Freitagabendgottesdienst. Nachdem man die Gebete gesungen hatte, wurde der Priester vorgestellt und trat ans Pult. Es wurde still.
    »Es ist mir eine große Freude, hier sein zu dürfen«, sprach er, »und ich möchte dem Herrn Rabbiner dafür danken, dass er mich eingeladen hat …«
    Dem Priester traten unvermittelt Tränen in die Augen. Er pries Albert Lewis als guten Menschen, platzte dann jedoch plötzlich, von Gefühlen überwältigt, heraus: »Und deshalb müssen Sie mir bitte alle helfen, Ihren Herrn Rabbiner davon zu überzeugen, dass er Jesus Christus als seinen Erlöser betrachten soll.«
    Es war totenstill im Raum.
    »Er ist so ein reizender Mensch«, klagte der Priester. »Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass er in die Hölle kommt …«
    Weiterhin Totenstille.
    »Bitte sorgen Sie dafür, dass er Jesus, dem Herrn, folgt. Bitte …«
    Diesen Gottesdienst vergaß wohl so schnell keiner aus der Gemeinde.
    Und einmal passierte es, dass ein Mitglied der Gemeinde des Rebbe, ein deutscher Einwanderer namens Gunther Dreyfus, an einem der hohen Feiertage während des Gottesdienstes hereingestürzt kam und den Rebbe beiseitezog.
    Gunther war kreidebleich, und seine Stimme zitterte.
    »Was ist passiert?«, fragte der Rebbe.
    Offenbar hatte Gunther draußen den Gemeindemitgliedern Parkplätze zugewiesen, als der Priester der katholischen Kirche auf ihn zustürmte und sich ereiferte, weil es Sonntag war und er die Parkplätze für seine Gemeinde reservieren wollte.
    »Die sollen hier verschwinden«, schrie er. »Fahrt eure Autos hier weg, ihr Juden!«
    »Aber es ist einer der hohen Feiertage«, wandte Gunther ein.
    »Und wieso muss das ausgerechnet am Sonntag sein?«, schrie der Priester.
    »Das Datum wurde schon vor dreitausend Jahren festgelegt«, entgegnete Gunther, der Englisch mit starkem deutschem Akzent sprach. Der Priester stierte ihn an und gab dann einen unfassbaren Satz von sich.
    »Die haben nicht genug von euch vergast.«
    Gunther war außer sich. Seine Frau war dreieinhalb Jahre im Konzentrationslager gewesen. Er ging auf den Priester los, wurde aber zum Glück daran gehindert, ihn zu verprügeln.
    Am nächsten Tag rief der Rebbe den Erzbischof der Diözese an und setzte ihn über das Geschehen ins Bild. Am folgenden Tag erhielt er einen Anruf von dem Priester, der fragte, ob er mit dem Rebbe reden könne.
    Der Rebbe empfing ihn in seinem Büro, und die beiden ließen sich nieder.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, sagte der Priester.
    »Ja«, erwiderte der Rebbe.
    »Ich hätte das nicht sagen dürfen.«
    »Nein«, bestätigte der Rebbe.
    »Mein Erzbischof hat einen Vorschlag gemacht«, sagte der Priester.
    »Und welchen?«
    »Sie wissen ja, dass an unserer katholischen Schule jetzt gerade Unterricht stattfindet. Aber in Kürze ist große Pause …«
    Der Rebbe hörte zu.
    Dann nickte er und stand auf.
    Und als die Türen der Schule aufgingen und die Kinder herausgerannt kamen, sahen sie den Priester der St. Rose of Lima Catholic Church und den Rabbiner des Temple Beth Sholom Arm in Arm über den Schulhof spazieren.
    Einige blinzelten.
    Andere glotzten.
    Aber niemand konnte umhin, dieses Ereignis zu bemerken.
    Man könnte nun glauben, dass dieser Frieden auf tönernen Füßen stand, weil die beiden Männer nicht aus freien Stücken so über den Schulhof spazierten. Man könnte sogar vermuten, dass ihre Beziehung deshalb von einer gewissen Bitterkeit geprägt war. Doch im Laufe der Zeit wurden die beiden wirklich Freunde. Und einige Jahre später betrat der Rebbe sogar die katholische Kirche.
    Bei der Trauerfeier für den Priester.
    »Man hatte mich gebeten, an der Zeremonie teilzunehmen«, erinnerte sich der Rebbe. »Ich habe ein Gebet gesprochen. Und ich denke, der Priester hätte es vermutlich gar nicht so schlecht gefunden.«

Henrys Leben

    J esus liebt dich« bekam Henry oft zu hören. Und es muss tatsächlich so gewesen sein, denn das Leben bot ihm immer wieder neue Chancen.
    Im Gefängnis erwies er sich als guter Boxer und gewann sogar einen Schwergewichtskampf. Und er lernte so fleißig, dass er nach zwei Jahren einen Abschluss machen konnte, obwohl er seinerzeit die Schule abgebrochen hatte.
    Als er entlassen wurde, arbeitete er als Kammerjäger. Er heiratete seine langjährige Freundin Annette, und eine Zeitlang führten die beiden ein ganz normales Leben.

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