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Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Titel: Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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nur eine innere Leere.
    Ich begrüßte die Frau am Schreibtisch und wollte mich vorstellen.
    »Na, wir wissen doch, wer Sie sind«, sagte sie. »Hier ist die Akte.«
    Ich blinzelte. Dass meine Familie seit vier Jahrzehnten mit diesem Ort verbunden war, hatte ich fast vergessen gehabt.
    Danke, sagte ich.
    »Keine Ursache.«
    Ich nahm die Akte an mich und machte mich auf den Heimweg – vielmehr zu dem Ort, den ich jetzt als mein Zuhause betrachtete.
    Im Flugzeug löste ich das Gummiband, das die Akte zusammenhielt, und versank in Gedanken darüber, wie mein Leben seit jenem Zeitpunkt, als ich New Jersey hinter mir gelassen hatte, verlaufen war. Meine Jugendträume – ein »Weltbürger« zu werden – hatten sich bis zu einem gewissen Grad erfüllt. Ich hatte Freunde in unterschiedlichen Zeitzonen. Meine Bücher waren in viele Sprachen übersetzt worden. Ich hatte an mehreren Orten gelebt.
    Doch man kann vieles berühren und dennoch mit nichts verbunden sein. Die Flughäfen der Welt waren mir vertrauter als meine eigene Wohngegend. Ich kannte mehr Leute in allen Teilen der USA als in meiner Nachbarschaft. Die »Gemeinschaft«, der ich angehörte, war die Gemeinschaft meiner Arbeitswelt. Freundschaften waren durch meinen Beruf entstanden. Wenn man sich privat traf, unterhielt man sich über berufliche Themen. Meine gesamte persönliche Geschichte war stark von meiner Arbeit geprägt.
    Doch in den letzten Monaten gingen immer mehr Verbindungen zur Arbeitswelt verloren. Freunde von mir hatten ihren Arbeitsplatz eingebüßt, weil die Belegschaft verkleinert wurde. Sie ließen sich Abfindungen auszahlen und verschwanden. Büros wurden geschlossen. Leute, die man immer an derselben Stelle vorgefunden hatte, waren plötzlich nicht mehr da. Stattdessen bekam man E-Mails von ihnen, in denen es hieß, sie hätten sich »interessanten neuen Bereichen« zugewandt. Dass diese Bereiche tatsächlich interessant waren, konnte ich allerdings nie so recht glauben.
    Und ohne die Verbindung über den Beruf gingen auch unsere menschlichen Bindungen verloren. Wir versprachen uns zwar, in Kontakt zu bleiben, taten es dann aber doch nicht. Einige benahmen sich, als sei Arbeitslosigkeit eine ansteckende Krankheit. Doch die Frage war auch, ob man ohne den gemeinsamen Hintergrund des Arbeitsplatzes – Klagen und Klatsch – überhaupt noch Gesprächsstoff haben würde.
    Als ich im Flugzeug auf dem Klapptisch vor mir den Inhalt meiner Akte ausbreitete, stieß ich auf Zeugnisse, alte Hausarbeiten und sogar ein religiöses Drama, das ich in der vierten Klasse über Königin Esther geschrieben hatte:
    mordechai: Esther!
    esther : Ja, Onkel?
    mordechai : Geh zum Palast.
    esther : Aber ich habe nichts anzuziehen!
    Ich fand auch Kopien von Briefen des Rebbe – darunter einige handschriftliche –, in denen er mir zum Uniabschluss oder zur Verlobung gratulierte. Sie beschämten mich. Der Rebbe hatte versucht, mit mir in Kontakt zu bleiben. Ich dagegen erinnerte mich nicht einmal mehr daran, diese Briefe erhalten zu haben.
    Ich dachte über meine Verbindungen zu Menschen nach. Dachte an ehemalige Kollegen und Freunde, die entlassen worden waren oder wegen Krankheit ihren Beruf aufgeben mussten. Wer tröstete sie? An wen wandten sie sich, um Beistand zu finden? Nicht an mich jedenfalls. Und auch nicht an ihre einstigen Vorgesetzten.
    Häufig schienen sie dagegen in ihren Kirchen oder Synagogen Unterstützung zu finden. In der Gemeinde sammelte man Geld für sie, kochte für sie oder bezahlte ihre Rechnungen. Man half gerne, weil man wusste, dass Zuwendung und Mitgefühl Teil des Fundaments einer »heiligen Gemeinde« im Sinne des Rebbe waren. Ich hatte offenbar einer solchen Gemeinschaft früher auch angehört. Es war mir nur nicht bewusst gewesen.
    Das Flugzeug landete. Ich sammelte die Papiere ein und verstaute sie wieder in der Akte. Dabei empfand ich einen Anflug von Trauer, als hätte ich etwas zurückgelassen, das nun für immer verloren war.

Thanksgiving

    D er Herbst kam, und im Handumdrehen schienen die Bäume nackt und kahl zu sein. Der Himmel über Detroit war grau und drohte mit frühen Schneefällen. Die Stadt wirkte öde und trostlos ohne Farben; man fuhr nur noch mit geschlossenen Fenstern und holte die dicken Mäntel heraus. Die Arbeitslosenrate stieg. Menschen verloren ihre Häuser. Einige packten ihre Habe zusammen und überließen ihr ehemaliges Heim den Banken oder den Plünderern. Es war erst November, und ein langer Winter lag

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