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Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Titel: Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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dem Rebbe beim Anziehen behilflich, machte ein paar einfache Gymnastikübungen mit ihm, kochte für ihn und chauffierte ihn zum Supermarkt und zur Synagoge. Manchmal spielte sie hinduistische Musik im Auto. Die Musik gefiel dem Rebbe, und er bat Teela, ihm die Texte zu übersetzen. Als sie von der Reinkarnation erzählte, die in ihrem Glauben wichtig war, stellte er ihr zahllose Fragen und entschuldigte sich, dass er nicht besser Bescheid wisse über den Hinduismus.
    Wie gelingt es Ihnen – einem Geistlichem –, so aufgeschlossen zu sein?, fragte ich.
    »Schauen Sie. Ich kenne meinen Glauben. Er ist in meiner Seele verankert. Aber ich sage unseren Leuten immer wieder: Man soll an die Richtigkeit der eigenen Überzeugung glauben, aber zugleich bescheiden genug sein, um einzuräumen, dass wir nicht alles wissen. Und da wir nicht alles wissen, müssen wir akzeptieren, dass andere Menschen an etwas anderes glauben.«
    Er seufzte.
    »Aber das sind nicht meine Ideen, Mitch. Die meisten Religionen lehren, dass wir unseren Nächsten lieben sollen.«
    In diesem Moment bewunderte ich den Rebbe sehr. Niemals, weder in unbeobachteten Momenten unter vier Augen noch in hohem Alter, hatte er je eine andere Religion schlechtgemacht oder sich abfällig über andere Glaubensrichtungen geäußert. Mir wurde in dieser Situation bewusst, dass ich selbst in Sachen Religion einigermaßen feige gewesen war. Ich hätte mehr Stolz an den Tag legen und mich nicht verstecken sollen. Wenn man an Moses nur aussetzen kann, dass er nicht zur eigenen Religion gehört; wenn man an Jesus nur aussetzen kann, dass er im eigenen Glauben nicht vorkommt; wenn man an Moscheen, Fastenzeiten, religiösen Gesängen, Mekka, Buddha, der Beichte oder der Reinkarnation nur aussetzen kann, dass man selbst nichts damit zu tun hat – dann liegt das Problem vielleicht bei einem selbst.
    Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?, sagte ich.
    Der Rebbe nickte.
    Wenn jemand, der einer anderen Religion angehört, zu Ihnen sagt: ›Gott segne Sie‹ – was antworten Sie dann?
    »Danke, und möge Gott auch Sie segnen.«
    Im Ernst?
    »Ja, warum denn nicht?«
    Ich wollte diese Gegenfrage beantworten, doch mir fiel nichts ein. Darauf gab es wohl auch keine Antwort.
    * * *
    Ich studierte Geschichten und Parabeln aus dem Buddhismus.
    Eine handelt von einem Bauern, der beim Aufwachen merkt, dass sein Pferd davongelaufen ist.
    Die Nachbarn kommen vorbei und sagen: »Das ist wirklich schlimm. So ein Pech.«
    »Mag sein«, antwortet der Bauer.
    Am nächsten Tag kehrt das Pferd zurück, gefolgt von weiteren Pferden. Die Nachbarn beglückwünschen den Bauern, weil sein Schicksal sich zum Guten gewendet hat.
    »Mag sein«, sagt der Bauer.
    Als der Sohn des Bauern auf einem der neuen Pferde reitet, bricht er sich das Bein, und die Nachbarn sprechen ihr Mitgefühl aus, weil dies ein Unglück ist.
    »Mag sein«, antwortet der Bauer.
    Am nächsten Tag kommen Männer vorbei, die den Sohn zur Armee holen wollen, aber wegen seines gebrochenen Beins können sie ihn nicht mitnehmen. Alle finden, dass dies ein großes Glück ist.
    »Mag sein«, sagt der Bauer.
    Solche Geschichten habe ich schon öfter gehört. Das Wunderbare an ihnen ist ihre Schlichtheit und Gelassenheit im Umgang mit dem Schicksal. Ich frage mich, ob ich mich zu einer Geisteshaltung hingezogen fühlen könnte, die eine solche Gelassenheit ausstrahlt. Ich weiß es nicht. Mag sein.

Was wir finden …

    N ach meinem Besuch beim Rebbe fuhr ich bei der Synagoge vorbei. Ich wollte etwas über dieses alte Gebäude aus den vierziger Jahren in Erfahrung bringen.
    »Sie können sich in unseren Akten umsehen«, hatte mir eine Frau am Telefon angeboten.
    Ich wusste gar nicht, dass es Akten über die Synagoge gibt, hatte ich erwidert.
    »Wir haben Akten über alles. Sogar über Sie.«
    Im Ernst? Kann ich die auch sehen?
    »Sie können Sie sogar mitnehmen.«
    Ich betrat die Eingangshalle. Es war noch Unterrichtszeit, und überall wimmelte es von Kindern. Die älteren Mädchen spazierten stolz und schüchtern zugleich durch die Flure, die Jungs rannten meist und hielten dabei ihre Jarmulke fest, damit sie ihnen nicht vom Kopf fiel.
    Es hat sich also nichts geändert, dachte ich.
    Normalerweise hätte ich mich jetzt überlegen gefühlt, weil ich es geschafft hatte, dieses kleinstädtische Leben hinter mir zu lassen, während hier alles beim Alten geblieben war. Aber diesmal empfand ich aus irgendeinem Grund, den ich selbst nicht verstand,

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