Damon Knight's Collection 08 (FO15)
wäre ich bestimmt“, antwortete Johnny Loughlin. Langsam begriff der Verkäufer, worauf der andere hinauswollte, und sein Gesicht versteinerte sich. Johnny Loughlin steckte die Pillenflasche in die Tasche und wandte sich dem Ausgang zu. Er überschritt die Schwelle, als das Telefon läutete.
Er wollte gerade anfahren, als der Verkäufer zur Tür herausgerannt kam und ihm vom Bürgersteig aus nachrief: „Hallo, ein Anruf für Sie.“
Johnny Loughlin nickte, denn das Dankeschön wollte er sich ersparen. Der Verkäufer hatte ihn nicht einmal mit dem Namen angesprochen. Er folgte dem Verkäufer zum Hinterraum der Apotheke. „Hallo?“
„Johnny? Kommst du heim?“
„Das wollte ich gerade. Ist etwas passiert, Cyn?“
„Senator Clinton ist tot. Sie wissen noch nicht, wieso. Er schien sich zu erholen, und dann schloß er auf einmal die Augen. Ich habe weinen müssen, ich konnte nicht anders. Die Kinder sind darüber sehr erschrocken.“
„Na gut.“
„In Grand Central Station gab es eine Schießerei. Es ist wirklich fürchterlich, Johnny.“
„Bitte, zeig den Kindern, daß du wieder in Ordnung bist.“
„Sie können nicht das Telefon mit Ihren Privatgesprächen besetzt halten“, mischte sich der Verkäufer ein.
„Wer war das?“ erkundigte sich Cynthia.
Er antwortete ihr nicht, sondern wandte sich an den Verkäufer. „Wollen Sie sich mausig machen?“
„.Hängt von Ihnen ab“, erwiderte der Verkäufer eingeschüchtert. Johnny sprach wieder ins Telefon.
„Ich komme gleich heim, Cynthia. Dreh den Fernseher aus. Ich bin in zehn Minuten da.“
„Bitte, beeil dich, Johnny.“
Er hängte auf, warf dem Verkäufer noch einen giftigen Blick zu und verließ die Apotheke. Im Wagen zögerte er und fuhr dann zum anderen Ende des Ortes. Er parkte vor der Post, warum, das wußte er selbst nicht. Niemand war zu sehen, und das einzige Geräusch kam vom leise tuckernden Motor. Der Klumpen in seinem Magen bedrückte ihn. Er hatte Angst, entsetzliche Angst, ohne zu wissen, wovor. In einem Anfall von Panik schaltete er das Radio ein.
„… Menschenmenge, die sich die Dreiundvierzigste Straße hinabwälzt, Schaufenster zertrümmert und Wagen umkippt. Sie scheint anzuwachsen und reißt immer neue Menschen mit sich. Die Polizei und die Feuerwehr haben beschlossen, an der Sechsten Avenue Barrikaden zu errichten. Ich wiederhole für diejenigen, die erst jetzt eingeschaltet haben, daß eine Schießerei in der Grand Central Station die erbosten Menschen in Panik versetzt hat und sie in die Straßen hinausstürmten. Eine Reihe von anscheinend nicht zusammenhängenden Zwischenfällen stachelte die Menge an, die außer Rand und Band geriet. Hunderte wurden verletzt …“
Johnny Loughlin drückte die Taste eines anderen Senders. Er mußte unbedingt heim, aber er konnte sich nicht aufraffen.
„Die Rebellen in Südafrika haben sich des Durbaner Flugplatzes bemächtigt und mindestens fünf Düsenjäger in die Luft gesprengt. Willkürliche Strafkommandos durchkämmen die verschiedenen Stadtteile. Ein Gastank ist explodiert, und Feuersbrünste haben …“
Er drückte eine andere Taste. Seine Hand bebte heftig.
„… Es ist, als hätten alle Menschen in der Welt auf einmal die Nerven verloren, als wären alle Sicherungen durchgebrannt. Die Leute sind heute mit dem Gedanken aufgewacht, der kalte Krieg reiche ihnen, sie hätten genug von Unterdrückung, Arroganz der Herrschenden und Demütigungen. Seit fast zwanzig Jahren haben sie unter einem unerträglichen Druck gelebt. Erstaunlich ist, daß es nicht schon früher passierte. Den Erklärungen der Astronomen nach kann ein Stern einen ungeheuren Druck ohne äußerlich sichtbare Wirkung in sich aufnehmen, bis er plötzlich und ohne Vorwarnung explodiert …“
Daraufhin schaltete Johnny Loughlin das Radio ab, und er hatte die Zähne so fest zusammengebissen, daß die Kiefer schmerzten. Er legte den Rückwärtsgang ein, fuhr aus dem Parkplatz und in Richtung auf sein Haus. Vom anderen Ende des Platzes preschte ein Wagen auf ihn zu. Instinktiv riß Johnny Loughlin sein Steuer nach rechts. Der andere Wagen rauschte mit mindestens hundertfünfzig Kilometern an ihm vorüber, ohne auf ihn zu achten. Johnny Loughlin erhaschte einen kurzen Blick auf das vor Verzweiflung verzerrte Gesicht des anderen Fahrers.
Reifen quietschten laut, als der andere Wagen vor der Ortschaft in die Kurve flog. Johnny Loughlin steckte sich eine Zigarette an. Ihm war übel. Der andere wäre
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