Damon Knights Collection 11
über Geld verfügten. Der Gewinn beim Hausverkauf plus eine ansehnliche Rückzahlung von der Pensionskasse des Straßenbauamtes machten eine hübsche Summe aus. Und da man davon nur wenige Dinge kaufen konnte, welche die Dimlawner nicht als mittelständisch bezeichnen würden, lag es auf der Hashbury National Bank und brachte fünf Prozent Zinsen. Dann, genau im unpassendsten Moment, entdeckte Amaryllis in dem Sarg, den Harley als Schrank benutzte, die Pamphlete von Max Rafferty.
Er wußte, daß es besser gewesen wäre, sie zu vernichten, aber irgendwie hatte er es nicht über sich gebracht. Eine Frau hatte sie ihm auf der Straße gegeben, und er hatte sie achtlos in seinen Poncho geschoben. Irgendwann, als Amaryllis in ihrer Kamasutra-Abendvorlesung war, hatte er sie dann hervorgeholt und mit dem gleichen prickelnden Schuldbewußtsein gelesen, mit dem er die nackten Wilden im National Geographie betrachtete. Aber dann hatte er sie weggelegt und bis zu jener schrecklichen Entdeckung vergessen.
Sie erkannten beide, daß es sich um eine Krise handelte. Aber so etwas konnten sie in Hörweite der Dim lawner nicht besprechen. So begaben sie sich in Fuz zy’s Nitty Gritty City, Soul Food Restaurant and Rare Chinchilla Farm, die neueste Sucht in der Stadt. Bei einem Serviermädchen, das außer Körperbemalung und Collagen nichts trug, bestellten sie Kutteln in Mandelsoße, Hafergrütze mit Knoblauchbutter und Rippelwein. Amaryllis schien bereit, die Krise bis nach dem Essen zu vertagen. Schließlich schob sie in Gedanken versunken einen Wassermelonenkern auf dem Teller hin und her und sagte:
„Harley, was machen wir nun? Es ist alles nicht das Wahre!“
„Ich tue es nie wieder, Baby, das verspreche ich dir.“
„Aber du weißt, daß du es wieder tun wirst, Harley. Wir wissen es beide. Und ist dir auch klar, warum, Harley-Schatz, ist dir klar, warum? Weil du immer noch ein ganz beschissener Spießer bist!“
Harley saß niedergeschmettert da, als die Anklage in seinen Ohren dröhnte.
„Immer noch ein Spießer?“ klang eine Stimme in der Nähe auf, und langsam schob sich Lamont Cranston ins Blickfeld. Er schüttelte den Kopf wie eine leidgewohnte Mutter. „Ich sehe schon“, meinte er gekränkt, „daß es unheimliche Mühe kostet, euch anzutörnen. Aber ich will euch noch einmal einen brandheißen Tip geben: Euer Problem ist, daß ihr verheiratet seid. Nur die Scheidung kann euch befreien.“
„Scheidung?“ fuhr Harley auf. „Moment mal, Sie verdammter Klugscheißer! Wenn Sie –“
„Harley“, sagte Amaryllis sanft und setzte wieder ihren mystischen Blick auf, „er hat recht.“
„Oh Gott“, sagte Harley und nahm einen tiefen Zug Rippelwein.
„Siehst du, Baby“, fuhr sie fort, „das war von Anfang an der eigentliche Haken. Erinnerst du dich an das Entsetzen unserer Nachbarn, als wir uns mit Mister und Mistress vorstellten? Du ahnst ja nicht, was ich auf all den Partys gelitten habe, wenn man uns mit den Bli cken aufspießte!“
„Aber ich habe dir jede Freiheit –“
„Es kommt nicht darauf an, was man tut, sondern wie man sich dabei fühlt . Begreifst du nicht, daß wir erst wirklich frei sind, wenn wir diese Fessel abgestreift haben? Begreifst du nicht, daß Cranston recht hat?“
Aber Cranston war nicht mehr da. Er hatte sich verkrümelt, zusammen mit Harleys letzter Hoffnung. Am nächsten Morgen waren sie unterwegs nach Las Vegas.
Die richtige Adresse hieß, wie sich Amaryllis sagen ließ, Lipschits’ Hitch and Ditch, Mud Wedding and Divorce Parlor and Jai Alai Fronton. Das Gerücht ging, daß Warhol erst letzte Woche dort geheiratet hat te oder geschieden worden war, natürlich nach Fuzzys Spezial-Schlamm-Zeremonie. Die Modes entschieden sich ebenfalls dafür.
Fuzzys berühmtes Schlamm-Ritual verlangte, daß die Paare vor der Eheschließung oder Scheidung nackt in einem riesigen Schlammbad hin und her gewälzt wurden, was der Persönlichkeit des Partners ein gewis ses geheimnisvolles Fluidum verlieh. Es war erstaunlich, wie viele Paare sofort wieder den Bund fürs Leben schlossen und umgekehrt, ein Trend, mit dem Fuzzy voll und ganz einverstanden war. Harley war natürlich mehr als bereit, zwei Zeremonien zu bezahlen, um sei ne Amaryllis zu bekommen. Er liebte sie, schlammig oder nicht, und wollte mit ihr verheiratet sein, selbst wenn das ein Problem war. Aber sie blieb eisern, und als sie an diesem Tag Fuzzys Etablissement verließen, hier und da noch schlammig, waren sie
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