Damon Knights Collection 11
vorüberhuschen sieht und so elegant und strahlend wirkt, daß man glaubt, man braucht nur rote Ohrringe oder einen schicken Hut, um etwas ganz Besonderes darzustellen, um sich deutlich von den anderen abzuheben.
Da fliegen diese Rom-Leute. Bald werde auch ich dort oben sein. Der Gedanke genügt, um mir wieder das Gefühl zu geben, daß ich blendend aussehe, ebenso gut wie all diese ebenmäßig gebauten Leute, die so selbstsicher sind, so an ihre Kleider und ihre Körper gewöhnt, und ich fühle mich jung, fast zu jung, wie ein kleines Mädchen auf seiner ersten Reise allein (und es ist lange her, seit ich irgendwohin kam, also erscheint es tatsächlich wie eine erste Reise).
Die Rom-Maschine wirkt von hier aus langsam, aber ich weiß, wie schnell die Dinger in Wirklichkeit flie gen, und außerdem, je größer etwas ist, desto langsamer erscheint es. Ich glaube, sie merken bereits, wie riesenhaft sie jetzt werden. Einmal oben, schaffen sie es vielleicht gar nicht mehr, herunterzukommen. Vielleicht starren sie aus den Fenstern, während sie eine Ewigkeit da oben kreisen, benommen von ihrer eigenen Größe im Vergleich zur Erde, unfähig, eine Landung zu wagen.
Ich jedoch habe mein Ziel. (Ich nenne es nicht mehr Daheim, weil ich schon so lange hier lebe.) Ich habe mein Ziel, aber ich glaube, daß auch das keine Rolle mehr spielt, wenn ich erst einmal mit dieser Maschine aufsteige. Dann werde ich die Welt sehen, wie sie wirklich ist, und es wird mir egal sein, ob ich je wieder nach unten gelange.
Ich habe einen Platz hier neben dieser Glaswand, und ich glaube nicht, daß mich jemand bemerkt. Ich bin schon eine ganze Weile hier, aber andere kommen und gehen. Sie passen nicht auf, wie lange ich hier sit ze. Und, wenn ich an mir herunterblicke, finde ich wieder, daß ich genauso durchschnittlich wie alle anderen aussehe. Weshalb sollten sie mich beobachten, sei es kri tisch oder bewundernd? Vermutlich merkt gar nie mand, daß meine Kleider nagelneu sind.
Auf dem Boden neben mir steht eine kleine schwar ze Mappe. Sie enthält meine Brille, meine Zeitung, eine Melone und eine Tüte mit Erdnüssen. Die Melone ist ganz bestimmt reif. Ich glaube, hin und wieder steigt mir ihr Duft in die Nase, ein süßes, angenehmes Aroma.
Gerade eben kam eine Frau auf mich zu und machte dann einen Bogen, um sich weiter weg von mir einen Platz zu suchen. Ich glaube, ich weiß warum. Möglich, daß es die Melone war, diese (für sie) fremdartige, durchdringende Süße, aber ich bezweifle es. In meiner Angst, mich zu verspäten (zugegeben, ich war dann unnötig früh da), zog ich all meine neuen Sachen über, ohne mich zu waschen. Wahr ist auch, daß in meinem Zimmer das Waschen immer ein Problem darstellte, und so kann es geraume Zeit her sein, seit ich mich gründlich abschrubbte. Außerdem, ich bin nicht dick, aber meine Füße haben eine gewisse Eigenschaft, wie man sie bei korpulenten Menschen, bei sehr korpulenten Menschen, manchmal antrifft. Die Frau hat mich ertappt, und deshalb schafft sie einen großen Abstand zu mir.
Also bin ich unter meinen hübschen Kleidern doch nicht so wie alle anderen.
Aber ist es ein Verbrechen, schmutzig zu sein? An einem Ort wie diesem schon, das sehe ich recht gut, obwohl es mir in meinem Zimmer nie so vorkam. Hier ist es ein Verbrechen oder zumindest in der einen oder anderen Weise auffallend; abnormal, exzentrisch, sonderbar – nein, doch eher ein Verbrechen. Nun, daran läßt sich jetzt nichts mehr ändern, auch wenn es mir das Gefühl gibt, daß ich immer kleiner werde, neue Kleider oder nicht. Wie wird es im Flugzeug sein, wie wird es sein, wenn man sich zugleich zusammengeschrumpft und riesengroß vorkommt? Denn wohl oder übel wird im Flugzeug jemand neben mir sitzen müssen. Vielleicht hilft die Melone. Vielleicht nehme ich die Mappe auf den Schoß.
Angenommen, ich lasse sie irgendwo dort oben fallen, und die monströse Melone, noch aufgebläht von der Höhe, klatscht auf ein winziges Gebäude herunter, deckt es mit ihrem melonenfarbenen Brei zu, breitet ihr sattes, süßes Aroma über alles, eine Melone, groß wie der Mond, durch und durch reif, erstickt sie alle in zuviel Süße und zuviel Saft. Zuviel, würden sie schreien. Es ist zuviel.
Flug 350, Flug 321, Flug 235, Flug 216. Ich möchte wissen, ob meine Füße zusammen mit der Melone das Innere der Halle ebenso durchdringen, wie es diese Stimme tut. Vielleicht ist das bereits der Fall, und ich habe keine Ahnung davon. In Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher