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Damon Knights Collection 3

Damon Knights Collection 3

Titel: Damon Knights Collection 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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voneinander ab; die Städter behaupten, daß die Ungeheuer die Seelen böser Toten sind, die ewig über die weidenlosen Wüsten des Ozeans streifen, um den Lebenden aufzulauern und sie in das feuchte Grab hinabzuziehen, während die Bergleute diese blasphemische Ansicht verwerfen und behaupten, daß die Seeungeheuer rechtmäßige Geschöpfe des großen Gottes Yp sind, die ausgesandt werden, um Reisende zu ermorden und somit die Majestät, die Macht und die Unberechenbarkeit der unergründlichsten aller Gottheiten bildhaft zu machen. Aber im Grunde läuft es auf das gleiche hinaus. Alyx hatte das knollige Gesicht und die struppigen Schnauzhaare des Geschöpfs auf einer Zeichnung gesehen, die im Silberaal an der Wasserkante von Ourdh hing (das – ausgestopfte – Original war, laut Besitzer, schon in grauer Vorzeit gestohlen worden), und ihr war es dabei kalt über den Rücken gelaufen. Sie hatte gedacht: Vielleicht ist es nur ein Tier, aber auch das war kein angenehmer Gedanke. Jetzt sah sie im Mondschein, der den Ozean in eine Kugel aus silbrigem Wasser verwandelte, auf dem ihr winziges Schiff weit, weit weg von allem und jedem tanzte, wie die Oberfläche sich unter einem Sprühregen glitzernder Tropfen teilte und das riesige, böse, verzerrte Gesicht des Geschöpfs, das so menschenähnlich und zugleich so menschenunähnlich war, wie ein schattenhafter Dämon aus dem dunklen klaren Wasser auftauchte. Es hielt ein Junges an der Brust, eine ekelerregende Parodie der Menschheit. Hinter sich hörte sie, wie Edarra der Atem stockte, denn das Edelfräulein war ihr an Deck gefolgt. Alyx zwang ihre widerstrebenden Füße zur Reling, lehnte sich darüber und streckte eine zitternde Hand aus. Sie sagte:
    »Bei dem Tetragrammaton der Furcht,
    Bei den sieben Namen Gottes:
    Scher dich hinfort, belästige uns nicht mehr!«
    Was sehr tapfer von ihr war, denn sie glaubte nicht an Zaubersprüche. Aber er mußte dem Ungeheuer ins Gesicht geschleudert werden, und das tat sie auch.
    Das Ungeheuer bellte wie ein Hund.
    Edarra schrie. Mit einem plötzlich stahlharten Arm riß die Diebin eine Harpune aus ihrer Befestigung am Heck und stemmte ein Knie gegen die Reling; sie beugte sich wahrhaftig bis in den Rachen des Geschöpfs vor und warf ihren Spieß. Er drang unter der Hasenscharte in den rosa Gaumen ein, und Blut sprudelte empor, als das Geschöpf trompetete und mit dem Schwanz schlug; im Mondschein wogte das Blut schwarz auf den Wellen, das Wasser schloß sich über der Erscheinung, wallte auf, erschütterte das Schiff, glättete sich wieder, und Alyx sank erschöpft auf das Deck.
    Eine Weile herrschte Stille. Dann sagte sie: »Es war nur ein Tier«, und machte Yps Zeichen auf ihrer Stirn, zur Buße, weil sie etwas ohne dringende Notwendigkeit getötet hatte. Sie hatte diese Geste seit Jahren nicht mehr gemacht. Edarra, die wie ein Häufchen Unglück am Mast kauerte, rührte sich. »Es ist nicht mehr da«, sagte Alyx. Sie stand auf und nahm das Ruder, eine lange Stange am Heck. Das Mädchen rührte sich nochmals mit einem Schauder.
    »Es war ein Tier«, sagte Alyx, »mehr nicht«, und beendete damit die Angelegenheit.
    Am nächsten Morgen holte Alyx die beiden Kurzschwerter hervor und sagte zu Edarra, sie wolle ihr beibringen, damit umzugehen.
    »Nein«, sagte Edarra.
    »Doch«, sagte Alyx. Bei anhaltendem Wind fochten sie auf dem Deck, und Edarra rackerte sich grollend ab. Alyx setzte ihr tüchtig zu und versicherte ihr, daß sie das täglich tun müsse.
    »Du mußt dir auch das Haar abschneiden«, fügte sie ohne besonderen Grund hinzu.
    »Niemals!« keuchte die andere und versuchte zu entschlüpfen.
    »O doch!« und sie packte den roten Zopf und straffte ihn; eine blitzende Klinge …
    Es mag an der Meeresluft – oder dem Verlust ihrer roten Zöpfe – oder an dem Zusammenprall mit einem Charakter gelegen haben, der völlig anders war als alles ihr bisher Gewohnte, aber von diesem Morgen an stellte es sich heraus, daß etwas einen besänftigenden Einfluß auf die junge Frau ausübte. Sie wurde stiller, ja (gelegentlich) sogar verträumt; sie verrichtete ihre Arbeit ohne Klagen, und nachdem ein verdientes Bad im Meer ihr kurzes Haar gelockt hatte, pflegte sie sich über die Reling zu beugen und sich selbst mit nachdenklicher Freude im Wasser zu betrachten. Ihre Haut, die die Diebin schon beim ersten Anblick als fein bezeichnet hatte, wurde im Verlauf der Tage noch feiner und bekam eine zarte Elfenbeinfarbe, wie ein halbgebackener

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