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Damon Knights Collection 4

Damon Knights Collection 4

Titel: Damon Knights Collection 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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spezielle gleichzeitige Erklärung ausarbeiten, in der ich verbreite, daß ich schlicht und einfach aus dem Grund, daß ich Tyson für unschuldig halte, für die Aufhebung des Urteils stimme.«
    Godwin kicherte. »Dazu wäre sie wahrhaftig fähig!«
    »Wenn ich einen Vorschlag machen darf«, sagte Pendleton mit einem rätselhaften Lächeln, »wir können anordnen, den Safe zu öffnen, nachdem wir beides vorgelegt haben: den Mehrheitsbeschluß und das abweichende Urteil. Es kann natürlich keinen Einfluß haben auf unser Urteil, wie es dann wiedergegeben worden ist, aber beide, Tyson und New York, können es, wenn sie wollen und wenn es der Inhalt wirklich verdient, als Grundlage für eine erneute Verhandlung benutzen. Mrs. Nord? Meine Herren? Also abgemacht.
    Gerade noch einen Punkt. Trotz der Schwere des Falles haben wir die Verpflichtung gegenüber dem Angeklagten und dem Staat, so schnell wie möglich zu handeln. Mit einiger Hoffnung können wir das Urteil am ersten April bekanntgeben.«
     
    Wenn die Strafe auf Tod lautet, sind wir versucht, das Urteil und sogar das Gesetz bis zum äußersten zu dehnen, um einem nicht vollständig überführten Verurteilten noch eine Chance zu geben.
    Richter Robert H. Jackson
     
    Es war Montag, der erste April. Tag der Urteilsverkündung im Marmorpalast.
    Praktisch jedes Berufungsgericht im Land – ausgenommen der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten – verteilte gedruckte oder maschinengeschriebene Kopien seiner Urteile an die Prozeßführenden als alleinige Mittel, das Ergebnis des Falles darzulegen. Aber der Oberste Gerichtshof – das einzige Berufungsgericht mit eigener Druckerei an Ort und Stelle – hatte seit urdenklichen Zeiten seine Urteile mündlich ›veröffentlicht‹. Und mündlich bedeutete das, was immer der vortragende Richter darunter verstand. Es konnte das vollständige Verlesen einer neunzig Seiten langen Urteilsschrift bedeuten – eine bevorzugte Taktik des Richters Lovsky; oder es konnte eine sehr kurze mündliche Zusammenfassung der wichtigsten Gesetze und Tatsachen bedeuten, in der Art Richter Randolphs. Oder, wie im Fall des Richters Burke, es würde wie eine Zusammenfassung beginnen und sich wohl oder übel zu einer tiefschürfenden Darlegung der Logik in den Gesetzen entwickeln, angefangen bei dem historischen Gerüst des Codex Justinianus, der Magna Charta, Coke, Comyns ›Digest‹, über die Konstitutionalversammlung und die einleuchtenden Ansichten von John Marshall, bis er unvermeidlich schließen würde mit einer angemessenen Auswahl aus Burkes ›Logik in Appellationsurteilen‹. Die Jurastudenten der George Washington und Georgetown Universitäten mußten sich dann vielleicht das gedruckte Urteil abholen, um herauszufinden, wer den Prozeß gewonnen hatte, aber alle waren sich einig, daß es ein fesselndes Erlebnis gewesen wäre.
    Nachdem er sich gesetzt hatte, durchforschte Edmonds verstohlen die erste der kirchenstuhlähnlichen, rotgepolsterten Bankreihen und fand das Gesicht, das er an vorangegangenen Montagen bemerkt hatte, das Gesicht, das er nicht hatte finden wollen: ein kahler Mann, stämmig, bärtig, seine Augen ein Muster an beherrschter, gewalttätiger Verschlagenheit. Edmonds stöhnte unhörbar. Laß es verschwinden. Aber es würde nicht verschwinden. Alles war da und wartete. Er schaute hinüber zu dem Safe auf dem Wägelchen des Marshalls. Er war noch verschlossen, noch unberührt, aber innerhalb von zehn Minuten würde sich das für immer ändern.
    Als er vor zehn Jahren sein Amt angetreten hatte, hatte er geschworen, die Verfassung und die Gesetze der Vereinigten Staaten hochzuhalten. Vor einem Monat hatte er Orwells Neunzehnhundertvierundachtzig auf den Konferenztisch sausen lassen. Nehmt euch in acht! hatte er gerufen. Und vor wem in acht nehmen? Vor Benjamin Edmonds, Ph. D. J. C, Beigeordneter Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten und außergewöhnlicher psi-Mensch. Denn er hielt es für sehr wahrscheinlich, daß er bald seinen Schwur brechen und, indem er das tat, die verfassungsmäßigen Rechte anderer antasten würde. Und dabei würde er die Institution, die er geschworen hatte zu schützen, für Jahrzehnte zu Fall bringen, beschmutzen und diskreditieren. Denn Helen Nord (und woher wußte sie es?) hatte recht. Tyson hatte nicht den Abzug des verhängnisvollen Gewehres durchgedrückt. Er wußte es. (Und was das betraf, wie konnte er es wissen?) Und deshalb blieb ihm noch etwas zu tun, etwas so

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