Damon Knights Collection 5
auf Mutter und Kind. Ein heiliges Bild, dachte er. Stundenlang saß er da, schaute und wunderte sich. Sie sah hinüber zu ihm, ruhig, verwundert.
Der neue Mensch schlief friedlich.
Es hätte nicht vollkommener sein können.
Sein Sohn. Sein Junge. Seiner und ihrer, aber er empfand es als gerechtfertigt zu behaupten, es sei überwiegend seiner.
Sein Sohn Adam. Wie hätte man ihn anders nennen können? Adam. Veraltet, aber ehrwürdig. Er hatte auch daran gedacht, ihn Ralph zu nennen, aber nur kurze Zeit. Es würde allzu komisch werden, wenn seine Mutter ihn im Kreise der nahen Freunde – alles Verwandte, wenn man darüber nachdachte – als Ralph Ralph vorstellen müsse.
Natürlich gab es auf Jahre hinaus keinerlei Notwendigkeit, irgend jemanden vorzustellen, in einer so kleinen engen Gruppe wie der ihren. Aber die Jahre vergingen.
Da stand sein Sohn, groß für sein Alter, gerade gewachsen, braun, geschickt …
Aber klug? Intelligent? Wie sollte ein Vater das beurteilen? Die voreingenommenen Eltern sehen immer nur das Gute, übersehen, was sie nicht akzeptieren können, und sind blind gegenüber Fehlern, die jedem anderen ins Auge springen.
Er sprach mit ihm und erhielt erfreuliche Antworten. Würde aber nicht fast jede Antwort die Eltern erfreuen? Eltern sind so leicht zufriedenzustellen. Vor allem Väter von Söhnen.
Hatte, er sich schon soweit darauf eingestellt, daß er zufrieden sein würde, wenn sein Sohn nur wenig mehr als tierische Intelligenz zeigte? Diese Überlegung führte zu angstvollen Beobachtungen, während sein Sohn heranwuchs – ein stetes Suchen nach Anzeichen geistiger Behinderung, Idiotie, Schwachsinn, nach Wasserkopfmerkmalen und Lähmungen.
Und dann bekamen sie eine Tochter.
Aus seinen Aufzeichnungen:
Mein Sohn. Braun wie Kupfer. Nackt wie ein Vogel.
Schlank, muskulös, hübsch, beweglich, geschickt.
Klug? Scheint so. Offensichtlich zu früh, um das richtig beurteilen zu können.
Fünf Jahre alt und hat gerade zum ersten Male getötet.
Einen wilden Hund, der unsere Ziege angriff. Traf ihn genau ins rechte Auge mit einer .30-30 auf ––– m. (Messen und eintragen.)
Stark und tapfer und gewandt und gut aussehend.
Hoffentlich auch intelligent.
Bitte, lieber Gott.
Meine Tochter. Mein Schatz, meine Schönheit. Was für eine Freude bist du, mit deinem ruhigen Lächeln und der lieben Art, mit der du meine Knie festhältst und zu deinem alten Vater aufschaust. Du bist das Kind deiner Mutter, nicht wahr? So lieb, so ruhig. Aber du bist flink und deine Reflexe (ich habe sie getestet) sind in Ordnung. Ich denke, bei uns ist alles in Ordnung.
Das Tagebuch von Siss:
(Siss war nicht sehr genau mit ihrem Tagebuch. Das geschriebene Wort lag ihr nicht. Obwohl ihre Vorsätze sicher gut waren, enthält ihr Tagebuch wenig mehr als ein Dutzend Eintragungen. Sie sind hier abgedruckt. Sie hat sie nicht datiert. Die Schrift: der letzten Aufzeichnung ist etwas besser als am Anfang, aber vielleicht auch nur, weil sie einen besser gespitzten Bleistift benutzte.
Ein aufschlußreicheres Tagebuch hätte sich sicher in ihrem Herzen gefunden, wenn man das hätte lesen können, oder auch in denen ihrer Kinder.)
Mr. Ralph hat mir gesagt, ich soll aufschreiben, wenn etwas wichtiges geschieht. Ich will jetzt anfangen. Heute hat mich Mr. Ralph geheiratet.
Bin heute sehr glücklich. Habe gelernt, meinem Mann zu gefallen.
Sehr sehr glücklich. Sind heute in unser Landhaus umgezogen. Das kenne ich besser als die große Stadt.
Heute habe ich ein Baby bekommen, einen Jungen.
Heute ist mein Wort Zufriedenheit. Ich muß es buchstabieren und sagen, was es heißt. Mr. Ralph sagt, ich brauche eine Erzihunk. Er will mich erzihen.
Heute ist mein Wort Erziehung. Mr. Ralph hat gesehen, was ich gestren in mein Tahgebuhch geschriehm habe.
Heute habe ich 2 Worte Tagebuch und gestern, und noch geschrieben nicht geschriehm.
Heute bekam ich ein Baby, ein Mädchen. Ralph hat gesagt, nun wird alles ganzrichtik.
Und wahrscheinlich stimmte das auch. Nachdem sich nun die Bevölkerung verdoppelt hatte, schien die Menschheit wieder voranzukommen. Es gab Liebe auf dieser Welt, eine wachsende, stolze Familie und in Siss eine neue Selbstsicherheit – man beachte, daß sie Ralph geschrieben hatte, nicht Mr. Ralph. Und wir können auch sicher sein, daß der ebenso strenge wie liebende Vater ihr zwei Wörter für den nächsten Tag aufgab: ganz richtig. Ein Vater, eine
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