Damon Knights Collection 6
Säure-Ätz-Abzüge, auch nicht von Hand gemalt. Diese hier waren auf grün grundiertem Hintergrund die völligen Ebenbilder von Tatja Grimm und den Männern, die an seinem Tisch saßen.
Hedrigs fragte sich, ob er auch so verlegen aussah, wie er sich fühlte. Die Leute waren genau die, die sie zu sein beanspruchten. Und Tatja Grimm war jetzt gar noch begehrenswerter – wenn das möglich gewesen wäre –, als sie schon zuvor gewesen war.
Grimm legte ihre Hand auf seinen Unterarm, als sie sah, was Svir gerade betrachtete. »Wie gefallen Ihnen diese Bilder? Das ist eine Entwicklung, die wir vom Osterlei-Archipel mitgenommen haben. Diese Bilder sind von einer Maschine fabriziert, die ihr Objekt betrachtet und sofort das Bild malt, genau wie in den Ge schichten des Diogenes.« Tatja ließ ihre Hand auf sei ne heruntergleiten. Einen Augenblick lang verschwamm Svir alles vor den Augen. Ein warmes Glühen ging durch seinen Körper. »Mein Bild ist da ganz unten, weil die naturwissenschaftliche Abteilung erst im letzten Jahr eingeführt wurde, als der gute alte Spektr der angewachsenen Popularität der technisch-erfinderischen Stories nachgab.«
»Ich sehe, daß Sie ein Fan sind. Wie lange lesen Sie schon die Fantasy?«
»Durchgehend, seit ich sieben war. Zwanzig Jahre. Die Tarulle-Barke ist in dieser Zeit zehnmal durch das Archipelagat gekommen. Ich habe jede neue Ankunft mehr und mehr wie ein Besessener erwartet. Ich habe sogar einige Ausgaben aus dem letzten Jahrhundert gesammelt.«
Tatja lachte, ein freundliches, vertrauliches Kichern. Die Männer am Tisch entschwanden in den Hintergrund von Svirs Bewußtsein. »Das ist der Mühe wert. Wissen Sie eigentlich, daß es in der ganzen Welt nur eine vollständige Sammlung der Fantasy gibt?«
»Sie meinen die Belegexemplare auf der Barke?«
»Nein, nicht einmal die Tamile-Gesellschaft hat einen vollständigen Satz. Sie erinnern sich, da war vor dreihundert Jahren ein Feuer auf der Alten Barke, und alle Exemplare vor diesem Datum gingen verloren. Bis vor zwanzig Jahren noch gab es mehr als fünfundzwanzig vollständige Sammlungen, aber eine Reihe von Unglücksfällen hat alle bis auf eine zerstört.« Sie legte eine unmerkliche Betonung auf das Wort Unglücksfällen.
Hedrigs hatte nie darüber nachgedacht, aber es war natürlich möglich, daß nur eine komplette Sammlung existierte. Während die Tarulle-Gesellschaft die Welt umschiffte, verkaufte sie ihre Magazine und druckte zusätzliche Exemplare, um sie an abgelegene Inselketten abzugeben. Die Auslieferung erfolgte recht unzuverlässig, verglichen mit dem Abonnementservice, den einige Inselmagazine boten. Es war daher ziemlich schwierig, eine fortlaufende Folge von Ausgaben zusammenzubekommen. Und Fantasy war siebenhundert Jahre alt. Und obwohl die meisten Ausgaben wiedergedruckt und ihre Stories anthologisiert worden waren, so daß jede größere Bibliothek Tausende von Stories aus dem Magazin in ihren Beständen hatte, gab es noch immer »verlorene« Ausgaben, die auf den Chainpearls nicht erhältlich waren.
Die Person oder Regierung, die den kompletten Satz ihr eigen nannte, mußte sehr reich und kulturergeben sein. »Wer hat denn die Sammlung?« fragte Svir.
»Der Regent von Crownesse, Tar Benesh«, antwortete Tatja.
Svir runzelte die Stirn. Tar Benesh hatte ihn noch nie als ein Mann von hohem Geschmack beeindruckt. Er überhörte beinahe, was Tatja Grimm als nächstes sagte. Sie sah ihn dabei direkt an, und ihre Lippen bewegten sich kaum. Sie schien von etwas sehr Fernliegendem völlig in Anspruch genommen. »Es ist wirklich ein Jammer, daß Benesh drauf und dran ist, sie zu vernichten.«
»Was? Warum? Kann er daran nicht gehindert werden?«
Seine erschrockenen Fragen überstürzten sich. Weshalb nur könnte irgend jemand sieben Jahrhunderte der Fantasy vernichten wollen? Die epischen Fortsetzungen, die genialen Short Stories – all die Einblicke in nicht existierende Welten – würden verlorengehen.
Tatjas Hand schloß sich fester um seine. Ihr Gesicht kam nahe an seines, und er hörte sie sagen: »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, ihn daran zu hindern. Mit Ihnen und Ihrem Dorfox, vielleicht –«
»Bitte, Miss Grimm, nicht hier!« Ked Maccioso beugte sich angespannt nach vorne, blickte dabei gleichzeitig im Saal umher. Svirs Wahrnehmungsbereich erweiterte sich. Er bemerkte, daß das Arbor jetzt gedrängt voll war, die Tanzfläche überquellend, und die Jongleure in Hochform auf der
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