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Dampfnudelblues

Dampfnudelblues

Titel: Dampfnudelblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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Weggehen.
     
    Ich schau mir mal lieber die Innenräume an. Und zwar genau. Schließlich kann die kleinste Kleinigkeit den entscheidenden Hinweis geben. Weil eines natürlich glasklar ist: Nach dem STIRB, DU SAU! und fleischpflanzerlgroßen Beulen am Buckel vom Höpfl ist an Selbstmord gar nicht erst zu denken.
    Die Räume sind im Grunde genauso wie beim letzten Mal, als ich hier war. Und zwar wirklich genauso. Das heißt, sogar das Badewasser ist noch in der Wanne. Das Handtuch, mit dem er sich eingewickelt hat, liegt auf dem Bett. Die Schubladen mit Unterwäsche und Socken stehen offen. Das find ich wirklich sonderbar. Bei einem Menschen wie dem Höpfl, bei dem kein Staubkorn zu finden ist und der vermutlich die Böden mit der Zunge wischt oder gewischt hat, ist eine solche Unordnung kaum vorstellbar.
    Im Untergeschoss ist alles unverändert. Und freilich wie geschleckt. Ich gehe den Weg ab, den ich auch gestern gegangen bin. Zuerst ans Wohnzimmerfenster, ich schau in den Garten. Die Köpfe der Nachbarn kleben noch immer an der Hecke. Dann geh ich in die Diele. An der Garderobe ein Sakko, ein Trenchcoat. Unzählige Schuhe. Alle picobello. Die Stiefel hinter dem Vorhang sind verschwunden. Er muss also noch die Schuhe gewechselt haben. Was immer er vorgehabt hat, es war nichts Elegantes, wenn er diese Stiefel getragen hat. Die vorhandene Situation zeigt mir deutlich, dass er gleich nach mir, und vermutlich in völliger Eile, das Haus verlassen haben muss. Um anscheinend irgendwas zu tun, wofür man Kampfstiefel braucht. Komisch. Ein Blick in die Garage zeigt mir, dass der Wagen weg ist. Genau wiebeim letzten Mal. Den muss ich natürlich zur Fahndung ausschreiben.
    Im Wohnzimmerschrank liegt der Fahrzeugbrief an der gleichen Stelle wie zuvor der Reisepass. Den nehm ich mit. Leider hab ich für weitere Recherchen jetzt keine Zeit mehr, weil ich ja noch mal zu der Frau Höpfl muss. Hoffentlich ist sie mittlerweile daheim.
    Sie ist daheim.
    »Ach, der nette Polizist von neulich«, sagt sie, wie ich zur Tür reinkomm. So hat mich ja schon lange niemand mehr genannt. Wenn ich ganz genau nachdenk, eigentlich noch nie.
    »Schön, dass Sie da sind. Gibt es irgendwas Neues, was meinen Bruder betrifft?«
    Wir gehen ins Wohnzimmer.
    »Ja, neu ist es schon«, sag ich und setz mich auf einen Sitzsack.
    Sie tut es mir gleich.
    »Aber ich fürchte, es ist jetzt nicht unbedingt besser.«
    »Was heißt besser? Er war weg. Was war da so schlecht dran?«, fragt sie und zwinkert mir zu. Ich quetsch mir ein Lächeln ab. Und weil sie eine einfühlsame Person ist, merkt sie jetzt gleich, dass was nicht stimmt.
    »Ist er   … tot?«, fragt sie ganz leise.
    Ich nicke.
    Sie erhebt sich von ihrem Sitzsack und geht rüber zum Fenster. Dort steht sie dann und schaut eine Weile hinaus. Auf die wunderbare Isar.
    »Sie erwarten jetzt aber keine Trauer, nicht wahr? Sie wissen genau, wie ich zu ihm stehe.«
    »Trauern Sie oder trauern Sie nicht. Mir persönlich ist das egal.«
    »Das beruhigt mich.«
    Pause.
    »Wie ist es passiert?«
    »Er wurde von einem Zug überrollt. Ein Zugunglück praktisch.«
    Pause.
    »Eine Frage«, sag ich und erheb mich dann auch aus meinem Sack. »Wer erbt eigentlich sein Vermögen?«
    »Sein Vermögen?«
    »Na ja, das Haus halt und was sonst noch so da ist.«
    Sie dreht sich zu mir her und schaut mich an. Und ich entdecke tatsächlich ein Tränlein in ihren Augenwinkeln.
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht hat er ein Testament geschrieben.«
    Sie schnäuzt sich.
    »Und wenn nicht? Ich meine, gibt es außer Ihnen   …«
    »Nicht, dass ich wüsste«, unterbricht sie mich hastig.
    »Jetzt denken Sie wohl, was hat die bloß, ist die denn blöde?«, sagt sie und winkt mit dem Taschentuch. »Aber nun, wo er tot ist, macht es mir halt doch etwas aus. Lustig oder?« Sie schnäuzt sich noch mal. »Unglaublich, wenn man bedenkt, dass ich ihn zeitlebens nicht gemocht hab. Können Sie sich das vorstellen?«
    Nein, auf gar keinen Fall. Wenn ich dran denke, dass der Leopold unter einem Zug verschwinden würde, ich könnt nur mit den Schultern zucken.
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Ja, gut, wenn der Leichnam dann frei ist, werd ich Sie informieren. Wegen der Beerdigung und so.«
    »Was heißt, wenn der Leichnam frei ist? Ist er denn jetzt nicht frei?«
    »Nein. Momentan liegt er in der Gerichtsmedizin.«
    »Wird er etwa   … obduziert?«
    Ich nicke.
    »Gewaltverbrechen nicht auszuschließen«, sag ich so.
    »Aha«, sagt sie und

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