Dampfnudelblues
Schließlich schieben Sie hier ja ohnehin eine ruhige Kugel«, spricht’s und verlässt mein Büro.
Eine ruhige Kugel! Da muss der grad reden! Im Grunde hat er noch nicht mal eine Kugel, die er schieben könnte, der werte Herr Bürgermeister. Einen Angolaner bewachen. So weit kommt’s noch!
Meine Mittagspause verbring ich im Büro, einfach um der eingetretenen Leopoldisierung bei uns daheim aus demWeg zu gehen. Ich hol mir beim Simmerl ein paar Wurstsemmeln.
»Den Höpfl hat der Zug erwischt, hab ich gehört«, sagt der Metzger, wie er mir meine Brotzeit aushändigt.
»Erwischt ist gut«, sag ich und zähl mein Geld auf den Tresen. »Es war ja nicht so, dass der Zug hinter ihm hergefahren ist und ihn dann erwischt hat. Eher umgekehrt.«
»Wie auch immer«, sagt der Simmerl und hat ein Grinsen in der Visage. »Jedenfalls hat’s keinen Verkehrten erwischt.«
»Du, Simmerl, wo genau warst jetzt du eigentlich gestern Abend?«, frag ich so, weil mich das dämliche Gegrinse verdächtig stimmt.
»Vielleicht erinnerst dich noch dunkel, dass ich gestern Abend genau neben dir beim Wolfi gesessen bin und mir dem Flötzinger seinen Scheißdreck angehört hab.«
Ja, das stimmt.
»Und der Max? Wo genau war dein Max zu der Zeit?«
»Jetzt mach aber mal einen Punkt, du blöder Bulle! Und schau, dass dich schleichst!«
»Der Max?«, frag ich noch mal.
»Ja, das weiß ich doch nicht! Meinst vielleicht, dass sich der bei mir abmeldet? Mit seinen sechzehn Jahren!«
»Der Höpfl ist nach Mitternacht vom Zug erwischt worden. Laut deiner Aufsichtspflicht musst du natürlich schon wissen, wo sich dein Max nach Mitternacht so rumtreibt, mein Freund.«
»Mein Freund! Ich geb dir gleich einen Freund!«, schreit mir der Simmerl jetzt her und schwingt mit dem Hackbeil.
Ich muss grinsen.
»Max!«, schreit der Simmerl dann ohrenbetäubend laut, was bei seinem Resonanzraum aber durchaus im Bereich des Möglichen ist.
Insgesamt schreit er viermal nach dem Sprössling, dass die Wände nur so wackeln. Aber ohne jeden Erfolg. Das heißt, so ganz ohne Erfolg eigentlich auch nicht. Sein Eheweib kommt.
»Ja, was schreist denn du so?«, will sie wissen.
»Was ich so schrei? Weil dieser Scheißbulle wissen will, wo sich dein Kronprinz gestern Nacht rumgetrieben hat, liebe Gisela.«
»Keine Ahnung«, sagt sie und zuckt mit den Schultern.
»Ja, dann geh bitteschön einmal hinauf und sag ihm, dass er seinen verdammten Arsch hier runterbewegen soll, wenn’s recht ist!«
»Wieso ich? Du hast doch selber kerngesunde Haxen«, sagt die Gisela und dreht sich ab.
Wieder ein klarer Beweis dafür, die Ehe zu meiden.
Weil er mir jetzt zugegebenermaßen direkt leid tut, der blöde Metzger, geb ich auf.
»Gehen wir heut noch zum Wolfi?«, frag ich ihn so beim Rausgehen.
»Passt halb neun?«, ruft er mir hinterher.
»Einwandfrei«, sag ich.
Dann fällt die Tür ins Schloss.
Wie ich ins Büro komm, hockt der Papa in meinem Bürostuhl und hat die Susi auf dem Schoß. Und die Susi ihrerseits hat die Sushi auf dem Schoß. Und die restliche Gemeindeverwaltung kniet außen herum, genau wie bei der Heiligen Familie. Mittendrin lacht der Zwerg Nase völlig entspannt dem ganzen Remidemi entgegen.
»Ja, was ist denn hier los?«, muss ich jetzt wissen.
»Du, Franz. Die Uschi hat den ganzen Vormittag geweint, gell, Uschi«, sagt der Papa. »Und die Oma und ich haben uns die ganze Zeit auf den Mittag gefreut. Dass duhalt heimkommst und die Kleine endlich mit dem Weinen aufhört. Weil sie dich doch so mag, gell. Und dann kommst du einfach nicht«, sagt der Papa.
Die Gemeindeverwaltung schickt geschlossen visuelle Speere in meine Richtung.
»Ja, vielleicht hab ich zufällig auch noch einen Job so ganz nebenbei, um den ich mich kümmern muss«, sag ich und leg meine Semmeln ab. »Und überhaupt. Was geht mich eigentlich dem Leopold sein Ableger an? Glaubt der vielleicht ernsthaft, er hat das Vergnügen und wir dann die Arbeit?«
Speere – tödliche.
»Und jetzt raus hier!«, schrei ich, weil es mir jetzt langt.
Die Susi steht auf, übergibt das Bündel dem Papa und verlässt im Dunstkreis der Kolleginnen den Raum. Der Bürgermeister tritt an die freigewordene Stelle und begafft das Kind.
»So ein hübsches Baby«, sagt er. »Außer die Nase vielleicht. Aber die kann sich ja auch noch verwachsen.«
Gott bewahre – wo soll die noch hinwachsen?
Der Papa steht auf.
Die Sushi fängt an zu weinen.
Der Bürgermeister klopft ihm
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