Dampfnudelblues
liegen und will sie auf keinen Fall wecken.
»Hallo … hallo. Wer ist dran? Sprechen Sie lauter«, sagt das Arschloch. Mein Puls schlägt bis zum Gehtnichtmehr. Ich geh in den Hof raus und schließe die Tür hinter mir.
»Hier ist der Eberhofer, den du grad so wunderbar übern Tisch ziehen möchtest.«
»Was heißt hier übern Tisch ziehen? Das sind die Spesen, so war es ausgemacht.«
»Aber es war kein Fünf-Sterne-Hotel ausgemacht!«
»Ich hab’s dir doch gesagt, Franz. Es war weit und breit kein anderes Zimmer zu kriegen.«
»Zweihundertzwanzig Euro die Nacht.«
»Tut mir leid.«
»Und das Essen? Ich kann hier kein einziges Mal das Wort Pizza lesen. Nur alles vom Feinsten. Drei Gänge mit Fisch und Muscheln, Salat extra und Dessert. Wasser, Wein, Espresso. Soll ich weitermachen?«
»Wegen mir nicht. Ich weiß ja noch, was ich bestellt hab. Aber wenn du gern möchtest.«
Das hat auch keinen Sinn.
Ich leg auf.
Der Tag ist sowieso verschissen.
Wie die heitere Scheidungsgesellschaft nach vielen Stunden heimkommt, sind sie alle ziemlich betrunken. Der Leopold ist strunzbesoffen. Er hopst übern Hof und breitet die Arme nach mir aus.
»Was soll das jetzt werden? Brüderlein, komm tanz mit mir?«, muss ich ihn fragen.
»Warum nicht? Franz, komm, sei nicht so langweilig. Schau, wir haben dir eine Pizza mitgebracht.«
Dann entreißt er der Panida einen Karton und überreicht ihn mir wie eine rare Kostbarkeit. Er öffnet die Schachtel. Die Pizza dampft noch. So passt sie großartig in sein Gesicht. Dann dreh ich mich ab und geh zurück in den Saustall.
Tür zu und Schluss.
Durch die Vorkommnisse des heutigen Tages hält sich die entspannte Nachtruhe dann eher in Grenzen. Die somit gewonnene Freizeit nutze ich, um den Höpfl-Fall zu durchdenken.
Kapitel 23
Am nächsten Morgen bin ich relativ grantig und fahr erst gar nicht ins Büro. Ein Bürgermeister oder gar eine Susi würden mich wohl noch zum Gebrauch der Waffe nötigen. Stattdessen fahr ich schnurstracks nach Landshut. Schließlich gab es ja neulich eine so nette Einladung zum Kaffee von der Angie.
Mal sehen, ob mein Plan aufgeht.
Ich läute und es dauert relativ lange, bis sie mir öffnet. Sie erscheint im Nachthemd.
»Franz? Was machst du denn hier? Wie spät ist es denn eigentlich?«, fragt sie erst mal.
Ich geh an ihr vorbei direkt in die Küche.
»Es ist sechs Uhr zwanzig. Hab ich dich aufgeweckt?«, frag ich und setz uns einen Kaffee auf.
»So könnte man das sagen.«
Es riecht hier furchtbar nach Rauch. Vermutlich war der Sieglechner zu Besuch. Wenn er nicht sogar noch immer hier rumhängt.
»Was willst du?«, fragt sie jetzt und macht den Tisch zurecht.
»Na, die Einladung von neulich. Zum Kaffee. Schon vergessen?«
»Nein, natürlich nicht. Aber da hab ich mehr an den Nachmittag gedacht.«
»Wenn du magst, kann ich gut bis zum Nachmittag hierbleiben.«
Sie grinst.
»Bist du allein zu Haus?«
»Ja, wer sollte denn sonst noch hier sein?«
»Na, der Bruno zum Beispiel.«
Sie schüttelt den Kopf. Dann gießt sie Kaffee ein und holt die Milch aus dem Kühlschrank.
»So wie es jetzt ausschaut, Angie, ist dein Marcel der Mörder vom Höpfl«, sag ich so ganz ohne Vorwort.
Ihr fällt der Löffel aus der Hand. Mitten in die Tasse. Jedes Mal eine Mordssauerei mit dem Weib.
Ich hol einen Lappen vom Spülbecken und wische auf.
»Was soll das jetzt, Franz?«, fragt sie mich mit zittriger Stimme.
»Es gibt einen Zeugen, weißt du. Der hat alles gesehen. Von einem Hochsitz aus. Und der hat beobachtet, wie dein Marcel den Höpfl auf den Gleisen fixiert hat. Augenzeuge sozusagen. Todsichere Sache. Fernglas, mondhelle Nacht. Ziemlich eindeutig für meine Begriffe.«
»Franz, bitte!« Sie schluchzt auf. »Bitte, geh jetzt!«, sagt sie ziemlich eindringlich und erhebt sich.
Es gibt keine Umarmung heute. Ich geh zur Tür raus und die Treppen runter. Ich überquere den Hof und bleibe hinter der Hausmauer stehen. Dann schau ich ums Eck.
Der Küchenvorhang bewegt sich.
Zehn Minuten später kommt der Sieglechner durch die Haustür. Er setzt sich in einen Wagen und fährt davon.
Ich muss mich nicht beeilen.
Ich weiß, wo er hinfährt.
»Großartige Aussicht, gell«, ruf ich zu ihm rauf, gleich wie ich dort ankomm.
Er steht auf dem Hochsitz, schirmt mit der Hand die Augen ab und starrt in die Ferne.
Er nickt.
»Großartige Aussicht«, sagt er.
Er bleibt noch ein Weilchen da oben und schreitet optisch die Bahnstrecke
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