Dampfnudelblues
ab. Jeden winzigen Millimeter. Danach steigt er langsam die Leiter herunter. Sprosse für Sprosse.
Wie er dann vor mir steht, packt er mich plötzlich am Kragen. Und er drückt zu. Ganz schön sogar.
»Eines werd ich dir sagen, mein Freund. Meine Angie lass ich mir nicht kaputt machen. Von niemandem. Erst recht nicht von euch. Es bricht ihr das Herz, verstehst du. Der Marcel ist jetzt tot, das müsste doch reichen. Aber sein Andenken lasse ich nicht in den Dreck ziehen. Niemals! Nur, dass das klar ist!«
»Wenn du mich nicht sofort loslässt, werde ich dir die Kniescheibe zerschießen, Bruno.«
Er lässt los und schüttelt mich ab. Wie ein lästiges Vieh. Dann dreht er sich ab und geht Richtung Auto.
»Es wird in allen Zeitungen stehen, Sieglechner. In allen verdammten Zeitungen, hörst du. Da kannst du dich auf den Kopf stellen, kapiert!«, ruf ich noch hinter ihm her.
Er winkt ab, steigt ein und fährt los.
Wie nicht anders zu erwarten, klingelt bald darauf mein Telefon. Die Angie ist dran und jammert mir her, das kann man gar nicht glauben. Nix, sag ich. Heute ist Freitag. Und am Montag ist die Pressekonferenz. Und da kommt es auf den Tisch, da kann sie grad machen, was sie will. Schließlich hat die Welt ein Recht darauf, zu erfahren, wer den Rektor Höpfl auf dem Gewissen hat. Da hilft ihr jetzt auch die blöde Heulerei nichts. Da bin ich hart.
Grad wie ich am Mittag aus meinem Büro hinaus will, ist ein Remidemi im Gang, dass praktisch alle Wände wackeln. Die ganze Gemeindeverwaltung ist anwesend und etliche mehr. Im Grunde genommen das halbe Dorf. Die Susi steht in der Mitte des Geschehens und wird vom ganzen Drumherum beinah zerquetscht.
Abschiedsfeier.
Sie bricht heute auf.
In ihr neues Leben.
Hurra.
Der Papa und die Oma sind selbstverständlich auch dabei. Die Blicke, die ich ernte, sind an Abwertung gar nicht mehr zu steigern. Weil ich hier nicht auf den Boden kotzen möchte, dreh ich mich ab und mach mich auf den Heimweg.
Ich bin grad ein paar Schritte weg, da kommt die Susi hinterhergelaufen.
»Willst du mir denn nicht viel Glück wünschen, Franz?«, sagt sie zu mir.
»Nein, das will ich nicht! Ich will, dass du dir den anderen Arm auch noch brichst, verdammt. Dann werden wir ja einmal sehen, ob dir dein feiner Italiener den Arsch wischt!«
Sie steht direkt vor den Kletterrosen, die an der Rathauswand hinaufwachsen. Das rosarote Sommerkleid scheint wie gemacht für diesen Hintergrund. Ihre Haare hat sie hochgesteckt. Ein paar Strähnen flattern im Wind.
»Franz«, sagt sie ganz leise und legt die Hand auf meinen Arm.
»Viel Glück«, sag ich dann und steig in den Wagen.
Der ist jetzt sauber, da gibt’s keine Frage. Ich lass den Motor an und fahr mit quietschenden Reifen haarscharf an ihr vorbei. Im Rückspiegel seh ich, wie sie sich über dieAugen wischt. Sie braucht jetzt gar nicht erst zu weinen. Schließlich hab ich ja nicht sie verlassen.
Am Abend bei unserer Runde kommen der Ludwig und ich wieder einmal rechtzeitig zum Stockentenrennen. Der Flötzinger und der Simmerl im Einsatz. Wirklich vorbildlich. Wir verabreden uns für später auf ein Bier beim Wolfi.
»Jetzt ist sie weg, die Susi«, sagt der Papa, wie ich zur Küche reinkomm.
»Da kann man nix machen«, sag ich.
»Jetzt nimmer«, sagt der Papa.
Ich steh vom Tisch auf, weil mir das jetzt zu blöd wird.
»Wo willst denn jetzt hin?«, fragt der Papa.
»Komasaufen«, sag ich.
»Du, nur dass du’s gleich weißt. Morgen kommt die Sushi, gell. Weil morgen der Leopold nämlich einen mordswichtigen Bestsellerautor in seiner Buchhandlung hat. Der macht da eine Lesung. Und die Panida macht dafür ein Buffet. Ein thailändisches. Und drum bleibt die Kleine halt hier bei uns.«
»Und was geht mich das an?«, frag ich, obwohl ich die Antwort längst kenne.
»Ja, mei, weil die Sushi halt bei dir drüben schlafen möcht. Du weißt es doch selber, wie sie ist.«
»Ja, für so was bin ich dann auch wieder gut, gell. Aber sonst kann man den Franz ja gerne blöd anreden. Es ist ja eh bloß der Franz, der wird das schon verkraften.«
»Du wirst es schon verkraften«, sagt der Papa.
»Herrschaft, jetzt ist eine Ruh da herinnen! Ihr bringt’s mich noch einmal ins Grab mit eurer ewigen Streiterei«, schreit uns dann die Oma her.
Ich geh hin und geb ihr ein Bussi wegen Beruhigung.
»Hau ab, du Idiot«, schreit sie jetzt aber und schüttelt mich ab. »Schau lieber, dass du die Susi wieder nach Haus
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