Dampfnudelblues
anschauen. Also kraxel ich hinauf. Erstklassige Aussicht von oben. Auf den wunderbaren Wald, die wunderbare Wiesen und die wunderbaren Züge, die durch die wunderbare Wiesen donnern. Wenn das der Hochsitz vom Simmerl Max ist, auf dem er nach eigenenAngaben die Mordnacht vom Höpfl verbracht hat, dann hat er vermutlich alles gesehen. Hat alles gesehen und gibt es einfach nicht zu.
Das heißt es jetzt herauszufinden.
Ich fahr gleich mal hin.
Der Simmerl steht vor der Metzgerei und ratscht mit einer Kundin.
Spanferkel grillen, Spezialgebiet des Hausherrn.
»Servus, Simmerl. Du, ist dein Max daheim?«, frag ich direkt, wie ich hinkomm.
Er nickt und verabschiedet sich dann von der Spansaufrau.
»Max!«, schreit er zum Fenster hinauf, dass gleich die Scheiben klirren.
»Was?«, schreit der Max zurück, nicht weniger laut.
»Komm runter, der Herr Eberhofer ist da!«, schreit der Simmerl jetzt rauf und grinst mir her.
»Gleich!«, tönt es von oben.
Derweil kauf ich ein paar Angebote, weil ich schon mal da bin. Weil ich schon mal da bin und der Hunger die Auslage der Metzgerei zu einem wahren Schlaraffenland macht. Eine gute Weile später ist vom Max noch immer nichts zu sehen.
»Das dauert aber«, sag ich so.
»Ja, die Jugend hat halt ein völlig anderes Zeitgefühl«, sagt der Simmerl. »Wenn ich den Max zum Frühstück rufe, bin ich froh, wenn er zum Mittagessen kommt.«
Der Metzger wischt den Tresen sauber.
»Soll ich mal raufschießen?«, frag ich noch, aber wie durch ein Wunder erscheint dann der Sprössling auch schon im Türrahmen.
»Du, Max, ich hab grad deinen Hochsitz gefunden. Direktam Waldrand. Mit Blick über die wunderbare Wiese, gell?«
Er nickt, ein bisschen zaghaft für meine Begriffe.
»Und mit einwandfreiem Blick auf die Bahnstrecke.«
»Ich hab nix gesehen und nix gehört«, sagt der Max und zieht unterm T-Shirt ein paar Kopfhörer hervor. »Ich hab Musik gehört und fertig.«
»Aber wenn man nichts hört, ist man ja nicht automatisch gleich blind«, sag ich jetzt und muss an die Oma denken. Die hat nämlich Augen so scharf wie ein Adler.
»Ich schon. Weil ich halt ein bisschen gechillt hab.«
»Und da hat man automatisch die Augen zu?«
Er nickt.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragt er bockig.
»Wenn du mich anlügst, Bürschchen, werd ich das herausfinden, verstanden. Ich ermittle hier in einem Mordfall. Da ist jede Aussage ungeheuer wichtig. Ich werde dich als Zeugen vorladen und dann kriegst du ein Kreuzverhör, davon träumst du noch Jahre.«
»Darf der so mit mir reden, Papa?«, fragt der kleine Bocker jetzt.
»Ich werde im Gerichtssaal sitzen, mein Sohn. Und wenn sie dich des Meineids überführen, muss ich dich leider in Stücke hacken.« Der Simmerl geht mit dem Hackbeil auf ihn zu und verdreht dramatisch die Augen.
»Zisch ab!«, sagt er dann und der Bub zischt ab.
»Glaubst du, der Max hat tatsächlich was gesehen?«, fragt er mich jetzt und reicht mir meinen Einkauf rüber.
»Er müsste was gesehen haben, rein theoretisch. Der Hochsitz ist quasi wie ein Logenplatz. Mit erstklassigem Blick direkt auf die Unglücksstelle, weißt du. Aber mit Augen zu, ist auch der beste Platz für’n Arsch.«
»Wem sagst du das. Genau dasselbe denk ich mir jedenAbend, wenn ich zur Gisela ins Bett steig. Da hat sie nämlich auch immer schon die Augen zu und verpasst natürlich das Beste.«
Ich sehe, wir verstehen uns.
Der Ludwig kriegt noch eine Weiße und dann geh ich heim und erfreue die Oma mit meinen Schlaraffenlandspezialitäten.
Am nächsten Tag fahr ich zuerst einmal zu dem Schlüsseldienst, bei dem der Sieglechner kurzzeitig beschäftigt war. Der Herr dort ist ein älteres Semester und er trägt Bart bis fast zum Nabel. Er erzählt mir, dass er einen Vierundzwanzig-Stunden-Service hat und telefonisch quasi rund um die Uhr zu Einsätzen gerufen wird. Besonders nachts, sagt er, weil, da will man halt niemanden stören. Da läutet man nicht so schnell mal beim Nachbarn und holt den Ersatzschlüssel. Nein, da holt man halt lieber den Schlüsseldienst. Und so kommt es vor, dass er schon so zwei-, oder gar dreimal wohin muss in der Nacht. Langsam ist er aber in einem Alter, wo das nicht mehr so leicht wegzustecken ist. Darum die Idee mit der Aushilfe. Er hat gemeint, wenn er für ein paar Nächte in der Woche eine Hilfe hat, kann er die Restzeit einfach besser verkraften. Der Sieglechner hat sich bei ihm vorgestellt. Und man war sich schnell einig. Ein Tag Einarbeitung
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