Dan
verwitterten Holzpfählen, die aus dem Wasser ragten, besaß eine überdachte Veranda, die Richtung Westen zeigte, und schien im Übrigen aus einem Raum mit großen Fenstern zu bestehen. Das Dach war mit Dachpappe bezogen. Ein kleiner Steg war angebaut, und Rohre führten vom Haus aus ins Wasser.
Javi legte am Steg an, wo Dan das Boot festmachte und Javi auftrug, auf sie zu warten. »Du gehst zuerst«, sagte er zu Maggie und sah sie aufmunternd an.
Sie schwang sich auf den Steg, und Dan griff nach der Tasche, um ihr zu folgen. Als er an Javi vorbeibalancierte, sah er, wie der Junge auf die Waffe in seinem Halfter schielte.
»Rühr dich nicht vom Fleck«, wiederholte Dan.
Als Antwort blickte Javi nur mit feierlichem Nicken auf die Waffe.
»Sieht leer aus«, stellte Maggie fest und steuerte bereits auf die Leiter zu, die etwa drei Meter nach oben zum Haus führte. Sie fing an hochzuklettern, und Dan folgte ihr. Durch eine zwei Meter breite Öffnung gelangten sie in einen großen Raum mit einem abgetrennten Bereich, der Toilette und Waschbecken enthielt.
Dan schritt durch das Zimmer und prüfte den Holzboden auf Hohlräume, in denen sich etwas verstecken ließ, und ging dann auf einen Stapel Leintuch in einer Ecke zu.
»Ist da was?«, fragte Maggie.
»Könnte eine Hängematte sein.« Er nahm den Stoff und warf ihn herum. »Das ist dann wohl das Bett.«
Er begann seine Untersuchung, konzentriert und systematisch, klopfte gegen Bretter, sah in den Wandschrank und suchte die Decke ab. Plötzlich ertönte von draußen ein platschendes Geräusch. Er fuhr herum und rannte zum vorderen Fenster, die Hand bereits an der Waffe. Javi ruderte wie verrückt davon und war längst außer Schussweite.
»Er denkt, wir wollen allein sein«, sagte Maggie und legte ihre Hand auf Dans Arm, damit er nicht schoss.
»Oder jemand hat ihm mehr bezahlt als wir und ihm aufgetragen, uns an unserem Zielort zurückzulassen.«
Aus weiter Ferne drang das Klingeln des Telefons an Alonso Jimenez’ Ohr. Er zwinkerte schlaftrunken und griff nach dem kleinen Gerät, das er nur für eine einzige Person benutzte. Für Gespräche, bei denen grundsätzlich keine Namen genannt wurden.
»
Sí?
«
»Ich habe ihn. Ich habe den Jungen gefunden.«
Den Jungen, der nicht sein Enkel war. »Bring ihn her.«
»Das wird nicht so einfach.«
Immer gab es Ärger mit dem Kerl. Jedes Mal. »Dann versuch’s mit einem Schraubenschlüssel,
bárbaro!
«
»Immer mit der Ruhe.«
Alonso entging der herablassende Ton nicht. Der Mann am anderen Ende wusste genau, wer inzwischen am längeren Hebel saß. Er schloss die Augen und lehnte sich zurück. War es Zeit, aufzugeben? Hatten ihm die Jahre in Haft wirklich den Lebenssaft aus den Knochen gezogen? War er wirklich in jeder Hinsicht saft- und kraftlos?
»Bring mir einfach den Jungen«, sagte er. »Was ist mit seiner Mutter und seinem Vater?«
»Ich bin an ihnen dran.«
»Und die Lieferung? Hat das geklappt?«
Das Schweigen dauerte zu lange.
»Was ist mit der Lieferung?«, wiederholte er.
»Damit gibt es ein kleines Problem.«
Wenn er jetzt die Kontrolle verlor, war alles verloren. Und so wie es aussah … war das nicht mehr aufzuhalten. »Dann musst du es eben lösen.« Was für ein kraftloser Befehl.
Ein Mann ohne Macht war kein richtiger Mann. Und ein Venezolaner ohne Macht war so gut wie tot. Er beendete das Gespräch und legte das Telefon neben seinen erkalteten Reispudding.
Ein echter Mann würde sofort zu diesem Lagerhaus gehen.
Mañana
. Morgen würde er dorthin gehen. Jetzt musste er noch ein wenig schlafen, um fit zu sein – für seine ultimative Rache.
19
Sie saßen fest. Es gab kein Satellitensignal, und um sie herum war nichts als Wasser, fünfzig Kilometer in die eine, achtzig Kilometer in die andere Richtung. Außer den Bergen Venezuelas am Horizont war kein Land in Sicht. Die drei baufälligen Wände – von denen zwei gut einen Meter hoch waren – und das Bambusdach mit seinen klaffenden Löchern würde ihnen vor dem bevorstehenden Regen wenig Schutz bieten.
Maggie setzte sich mit dem Rücken an einen dicken Pfosten; ihre nackten Füße lugten unter ihrer Cargohose heraus, und ihr weißes T-Shirt klebte an ihrer Haut. Dan wanderte unterdessen mit dem Handy in der Hütte herum, in dem vergeblichen Versuch, irgendwo Empfang zu bekommen, um die Piloten oder jemanden in Miami zu erreichen.
Schließlich gab er auf. »Wir stecken fest.«
»Vielleicht kommt Javi morgen früh zurück«,
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