Danach
begehen, erweist sich als voller Erfolg.«
»Findet ihr es nicht komisch, dass die Tür nicht abgeschlossen ist?«, fragte Adele hinter mir. »Irgendwie unheimlich.«
Zögernd standen wir vor der offenen Tür und tauschten Blicke aus. Wer würde den ersten Schritt wagen?
Ich kannte die Antwort. Da ich es gewesen war, die uns die Sache eingebrockt hatte, musste ich jetzt auch als Erste über die Schwelle treten.
Ich holte tief Luft, stellte erleichtert fest, dass ich kaum zitterte, und machte einen Schritt ins Haus hinein. Dann drehte ich mich zu den anderen um.
»Seht ihr? Es tut gar nicht weh.«
Niemand lachte.
Ich wagte mich noch einen Schritt weiter, und Tracy folgte mir.
»Da wären wir, zurück im Reich der Finsternis«, flüsterte sie und warf einen Blick in die blitzsaubere Küche, die eigenartig normal wirkte. Die bösen Rückstände, die seine Finger hinterlassen hatten, waren unsichtbar.
Adele folgte uns zaghaft nach drinnen, die Augen weit aufgerissen.
Nur Christine blieb in der Tür stehen, gelähmt vor Angst. Mir fiel auf, dass ihre linke Hand wieder angefangen hatte zu zittern. Sie legte entschlossen die rechte Hand darüber und schritt langsam über die Türschwelle, wobei sie tief einatmete.
»Also gut«, war alles, was sie sagte.
Ich stellte einen kleinen Beistelltisch vor die offene Tür, weil ich den Gedanken nicht ertrug, erneut in diesem Haus eingesperrt zu sein. Dann ging ich vor den anderen den Flur entlang. Nur unter größter Mühe hielt ich mich davon ab, zu hyperventilieren. Mein Puls raste, und der altvertraute Schwindel schlich sich an. Aber ich wusste, dass ich ihn im Interesse aller bekämpfen musste.
Vor der Doppeltür zur Bibliothek blieb ich zögernd stehen. Wenn in diesem Haus irgendetwas von Bedeutung versteckt war, dann hier, da war ich mir sicher. Aber ich wusste nicht, ob ich schon bereit war, mich dem Anblick dieses Raumes zu stellen, in dem wir so viele Schmerzen erlitten hatten.
Ich schob meine Hand in die Hosentasche, tastete nach dem Foto von Jennifer und schloss fest die Faust darum. In diesem Moment war mir egal, dass ich es dadurch vielleicht zerknickte. Aber ich brauchte die physische Kraft, die ich daraus ziehen konnte, wollte spüren, wie sich meine Fingerspitzen mit den Farben des Bildes vollsogen und mir Jennifer näher brachten. Als ich mich endlich imstande fühlte, die Tür aufzumachen, tat ich es ganz langsam, damit nicht alles auf einmal auf mich einstürmte.
Das Erste, was ich sah, war die Folterbank, die immer noch in der Ecke stand.
Hinter mir erklang Tracys Stimme: »Igitt, warum haben sie das verdammte Ding denn nicht hier rausgeholt?«
»Das Zimmer kommt mir viel kleiner vor als früher«, sagte Christine leise.
»Das ist ein ganz logischer Prozess«, mischte sich Adele ein. »Der Raum übt nicht mehr dieselbe Macht auf …«
»Halten Sie den Mund, Adele«, sagten Tracy und Christine gleichzeitig.
Adele verstummte, und wir betraten die Bibliothek und starrten zu den Bücherregalen empor, die bis an die weit entfernte Decke reichten. Die Bücher waren noch da. Es waren Tausende.
Ich ging zu dem schweren Eichenholzsekretär mit der dunkelgrünen Schreibunterlage. Ein teures Stück. Jacks Adoptivfamilie hatte es nicht an Geld gefehlt, genauso wenig wie ihm selbst.
Genau in der Mitte der Schreibunterlage lag ein unbeschrifteter Umschlag. Ich nahm ihn in die Hand und stellte fest, dass er verschlossen war. Die anderen kamen herüber, um zu sehen, was ich gefunden hatte. Auf dem Weg zum Schreibtisch machten Tracy und Christine einen großen Bogen um die Folterbank.
»Soll ich ihn öffnen?« Ich sah die anderen fragend an.
»Warum nicht?«, antwortete Adele. »Nachdem wir nun schon ins Haus eingebrochen sind.«
»Wir mussten doch gar nichts aufbrechen«, protestierte Christine. »Und da er ohnehin nie wollte, dass wir gehen, fühle ich mich nicht als Eindringling, sondern als Gast, der tun und lassen kann, was er will.«
Ich schlitzte den Umschlag auf und zog einen Bogen Papier heraus, den ich langsam entfaltete. Dort standen in Jacks Handschrift, in deutlichen Großbuchstaben, die Worte: »WILLKOMMEN ZU HAUSE.«
Ich ließ das Blatt Papier fallen, als stünde es in Flammen.
Im selben Moment hörten wir im vorderen Teil des Hauses eine Tür zuknallen. Die Tür, durch die wir gekommen waren, die Tür, die ich mit dem Beistelltischchen aufgehalten hatte.
Wir pressten uns augenblicklich gegen die Wand, Tracy am nächsten an der
Weitere Kostenlose Bücher