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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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dem großen Kamin stand. Tracy ließ sich neben mich plumpsen und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Er hat es tatsächlich geschafft. Er hat erreicht, dass wir zurückgekommen sind.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Woher hat er gewusst, dass wir allein kommen würden?«
    »Wahrscheinlich hat er es einfach darauf ankommen lassen. Was hatte er schon zu verlieren? Außerdem hatte er völlig recht mit der Annahme, dass wir dumm und arrogant genug sein würden, seiner Einladung zu folgen.«
    »Es wird nicht lange dauern, bis Jim merkt, dass wir verschwunden sind«, sagte ich trotzig.
    »Das ist Jack sicher auch klar, schließlich hat er uns ganz offensichtlich beschatten lassen. Was wiederum bedeutet, dass das, was er mit uns vorhat, eher früher als später passieren wird«, erwiderte Tracy.
    Ich blickte mich suchend im Raum um und fragte mich, aus welcher Richtung der Angriff wohl erfolgen würde. Ich fühlte mich hilflos, verzweifelt.
    »Wir brauchen irgendetwas, mit dem wir uns verteidigen können«, sagte Tracy, die genauso mitgenommen aussah, wie ich mich fühlte. Ich nickte, und wir schwärmten wieder auseinander, auf der Suche nach Gegenständen, die als Waffe taugten. Als Christine zurückkam, schwenkte sie den Besenstiel, mit dem Adele das Fenster eingeschlagen hatte, während Tracy und ich praktischer dachten und je ein Küchenmesser aus dem Messerblock gezogen hatten. Adele hingegen hielt eine schwere Bratpfanne als Waffe in der Hand.
    Nachdem wir uns alle wieder in der Bibliothek versammelt hatten, verriegelte ich die schwere hölzerne Doppeltür hinter uns. Ohne darüber gesprochen zu haben, verteilten wir uns im Raum und nahmen wie selbstverständlich unsere Posten ein. Tracy stand in einer Ecke, und ich in der anderen. Adele kauerte neben dem Fenster und spähte über die Fensterbank hinweg in die Wälder hinaus.
    Christine kroch auf den Fenstersitz – so weit entfernt von der Folterbank wie möglich –, zog die Knie an und klammerte sich weinend an den Vorhang. Den Besenstiel hatte sie in Griffweite neben sich aufgestellt, aber ich bezweifelte, dass sie uns eine große Hilfe sein würde, was auch immer passierte. Die alte Christine war wieder da.
    »Was war das gerade für ein Geräusch?«, Adele wurde plötzlich hellhörig.
    »Was meinen Sie?«, fragte Tracy und lauschte mit schief gelegtem Kopf.
    »Da war gerade ein Geräusch. Ich glaube, es kam aus dem Keller.«
    »Also ich gehe da nicht runter«, sagte ich entschlossen.
    Tracy schüttelte den Kopf. »Ich habe sowieso nichts gehört«, murmelte sie.
    Aber wenn wir ehrlich waren, wollten wir in diesem Moment auch nichts hören.
    Nachdem wir die nächste halbe Stunde auf unseren Posten gelauert hatten, ohne dass irgendetwas passiert war, schien sich Adele wieder zu entspannen.
    »Das war’s also? Wir sitzen hier und warten darauf, dass uns jemand hier rausholt? Und natürlich hoffentlich einer von den Guten?«, fragte sie.
    »Sieht ganz danach aus«, knurrte Tracy verbittert.
    »Also ich für meinen Teil«, startete Adele einen neuen Versuch, »werde tun, wozu wir hergekommen sind, und mich ein bisschen umsehen.«
    Tracy warf ihr einen wütenden Blick zu. »Wozu? Sie haben den Ernst der Lage offenbar noch immer nicht verstanden.«
    Ich beobachtete die beiden von meiner Ecke aus. Wir fingen bereits an, uns gegenseitig anzufeinden. Die Panik hatte uns in kleine, angriffslustige Monster verwandelt, die ums Überleben kämpften, um jeden Preis. Ich schob diesen Gedanken beiseite und redete mir ein, dass ich nur meine eigene Angst auf die anderen projizierte, die Angst, mich wieder in ein animalisches, skrupelloses Wesen zu verwandeln.
    Das Haus war schuld. Ich fühlte mich wie ein Tier im Käfig, das alles getan hätte, um seinem Gefängnis zu entfliehen. Absolut alles. Genau wie damals. Ich erkannte es sofort wieder, dieses Gefühl: Wenn es hart auf hart kam, würde ich jede Vernunft und jede Rechtschaffenheit über Bord werfen. Waren alle Menschen so, oder war ich im Grunde meines Herzens eine niederträchtige Person? Hatte Tracy damals recht gehabt mit dem Vorwurf, dass ich unfähig war, mich in andere einzufühlen? Und wen würde ich dieses Mal opfern, um mich selbst zu retten?  

34
    Ich riss mich aus meinen finsteren Gedanken und bemerkte, dass Adele fieberhaft in Jacks Schreibtisch herumwühlte.
    »Ich bin immer noch der Meinung, dass wir hier vielleicht etwas finden, was uns … weiterhilft«, sagte sie und betrachtete eingehend

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