Danach
zusammengenommen hatte, öffnete ich langsam die Tüte und kauerte mich neben das Auto, um mich im Schutz der offenen Tür umzuziehen. Das Outfit, das Adele für mich vorgesehen hatte, bestand aus einer schwarzen Lederweste mit komplizierter Schnürung und einer Latexhose mit spitzen Nieten entlang der Seitennaht. Dazu durfte ich meine eigenen Schuhe anbehalten, schwarze Stoffslipper. Ich sah lächerlich aus, aber Adele nickte nur in Richtung Clubtür und versprach, dass niemand Notiz von mir nehmen würde. Ein reizvoller Gedanke.
Der Türsteher war ein Hüne mit rasiertem Schädel, dessen Arme mit feinen, spinnwebenartigen Tätowierungen überzogen waren, die bis zu den Handgelenken reichten. Er begrüßte Adele mit einem Nicken. Offenbar kam sie oft genug hierher, um erkannt zu werden. Als sein Blick allerdings auf mich fiel, hob er eine Augenbraue und schüttelte amüsiert den Kopf, bevor er mit den Schultern zuckte und auch mich passieren ließ. Beim Überqueren der Türschwelle schloss ich die Augen und bemühte mich, die panische Angst in meinem Inneren niederzuringen.
Mein Körper wurde von einem Schleier aus Dunkelheit und Sünde umhüllt. Was ich sah, erinnerte an den Vorhof zur Hölle. Alles war in Rot und Schwarz gehalten, und die Gäste trugen allesamt Nieten und Leder und wirkten auf bedrohliche Weise unberechenbar. Die Musik war ohrenbetäubend laut, und über der Theke hing zäher Zigarettenqualm. »Sklaven« folgten ihren Herren in gebührendem Abstand, teilweise kriechend und alle mit gesenktem Kopf. Ich fragte mich, ob diese geschundenen Kreaturen wirklich alle freiwillig hier waren oder ob es irgendwo im Gebäude ein Verlies voller Sklaven gab, die nach Lust und Laune zum Spielen herausgeholt wurden.
Entlang der hinteren Wand verlief eine T-förmige Bühne, auf der eine junge, mit einem Ball geknebelte Frau im ledernen Ganzkörperanzug eigenartige Bewegungen ausführte, wechselnde Posen des Schmerzes und der Ekstase, die entfernt an einen Tanz erinnerten.
Ich schlich mit hängenden Schultern hinter Adele her, bis mir aufging, dass sie auf die Weise wie meine Herrin aussah. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich zurückversetzt in eine Zeit, in der ich tatsächlich eine Sklavin gewesen war. Schwindel überkam mich, ein erneuter Vorbote der Panikattacke, gegen die ich nun schon eine ganze Weile ankämpfte.
Es war voll im Club, und mir kam es vor, als seien außer mir nur Stammgäste da. Wie in Zeitlupe schienen sie durch diese Untergrundwelt zu schweben, mit wutverzerrten Gesichtern und Blicken, die mir folgten, als ich ängstlich vorbeischlich. Ich sah mich um und entdeckte die sorgfältig arrangierten Folterszenarien, die im Raum verteilt waren. Überall waren Foltergeräte im Einsatz, ausgeklügelte Systeme aus Rollen und Seilen, Ketten und Nägeln, Knoten und Drähten.
Ich merkte plötzlich, dass ich seit Betreten des Raumes die Luft angehalten hatte.
Neben einer Reihe mittelalterlicher Folterinstrumente befanden sich Sitznischen mit Tischen und Bänken. Adele bahnte uns einen Weg durch das Meer aus dunklen Körpern und führte mich zu einem unbesetzten Tisch. Jetzt, wo ich wieder zu atmen wagte, fiel mir die abgestandene Luft auf, die Mischung aus Schweiß, Gleitmitteln und Körperflüssigkeiten, die im Raum schwebte und den schwächeren Geruch nach einem handelsüblichen Desinfektionsmittel überlagerte. Wenn ich mir vorstellte, wie mikroskopisch kleine Teilchen dieser Komponenten durch Nase, Mund und Haut in meinen Körper eindrangen, drehte sich mir der Magen um.
Als wir eine gefühlte Ewigkeit später endlich unsere Sitznische erreicht hatten, wollte ich auf die Bank gegenüber von Adele rutschen, aber sie bedeutete mir, mich stattdessen neben sie zu setzen. Ich nahm an, dass das Teil des gängigen Dominanzrituals war, und gehorchte widerstandslos. Mit beunruhigender Vertrautheit schlüpfte ich wieder in die Rolle der stumpfsinnigen Sklavin.
Ich sah Adele fragend an. Sie hatte mir immer noch nicht erklärt, welche Beweggründe es dafür geben konnte, sich von dieser speziellen Form der Sexualität angezogen zu fühlen, ob nun als Rollenspieler oder als Wissenschaftler. War es nicht genauso krank, diese Welt nur zu studieren, wie wirklich daran teilzunehmen? War es nicht eine Form von Voyeurismus unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Seriosität? Oder stimmte ihre Behauptung, und sie versuchte tatsächlich nur, die Gefahr, an der sie als Studentin knapp vorbeigeschlittert
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