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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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sagte ihr, sie solle sich Zeit lassen.
    »Als ich wieder aufwachte, war ich an Armen und Beinen gefesselt und lag mitten in einer großen Bibliothek.«
    Als ich das hörte, musste ich die Augen schließen. Bilder aus Jacks Bibliothek schossen mir durch den Kopf, die Farbe der Wände, das Licht, der Geruch. Alles war plötzlich wieder da. Ich klammerte mich am Tischrand fest und zwang mich, mich auf Ravens Bericht zu konzentrieren.
    »Ich war drei Tage dort. Kein Essen, nur wenig Wasser. Jede Menge Schmerzen. Und er … er …«
    Sie konnte nicht mehr weiterreden.
    Piker beugte sich näher zu ihr hinüber. »Du brauchst es nicht zu sagen, Schatz. Zeig’s ihr einfach.«
    Raven stand auf, stellte sich neben den Tisch und zog ihr Lederoutfit seitlich so herunter, dass wir ihre Hüfte sehen konnten. Dort prangte auf ihrer vernarbten Haut ein Brandzeichen. Es sah meinem sehr ähnlich, auch wenn ich es im Dunkeln nicht genau erkennen konnte. Ich wandte den Blick ab und kämpfte blinzelnd gegen die Tränen an.
    In diesem Moment kündigte eine Stimme die nächste Nummer an. Ich spähte zur Bühne hinüber und sah, wie drei vermummte Männer einen großen Gegenstand hereinschoben. Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, dass das, was sie da langsam und vorsichtig auf die Bühne rollten, eine Folterbank war. Sie sah anders aus als die in Jacks Bibliothek, aber ihr Verwendungszweck war eindeutig derselbe. Eine Welle der Übelkeit brandete in mir auf. Auch Raven hatte die Folterbank entdeckt und drehte sich mit flehendem Blick zu Piker um.
    Er stand auf. »Lasst uns rausgehen. Ich mag diese Nummer überhaupt nicht.«
    Inzwischen hatte sich meine Kehle so eng zusammengeschnürt, dass ich keine Luft mehr bekam. Alles drehte sich um mich herum. Im hinteren Teil des Clubs entdeckte ich eine Tür mit der Aufschrift »Ausgang«. Ohne ein Wort zu Adele oder den anderen beiden stand ich auf und rannte auf die Tür zu. Auf dem Weg dorthin stolperte ich beinahe über einen Mann, der auf dem Boden hinter seinem Herrn herkroch.
    Ich stieß die Tür auf und ging hastig zu einer abgeschiedenen Ecke hinter den Müllcontainern, wo ich mich mit dem Rücken an die Wand lehnte und keuchend nach Luft rang. Über mir war der Himmel voller Sterne, die unheilvoll herumzuwirbeln schienen. In dem verzweifelten Versuch, die Welt wieder ins Lot zu rücken, legte ich die Hände auf die Knie und holte mehrmals tief Luft, bevor ich langsam an der Wand hinunterrutschte. Ich fühlte mich an Tracys Flucht aus dem Club in New Orleans erinnert und spürte erneut eine Welle der Panik in mir aufsteigen. Wie war ich nur in diese Situation geraten? Wie hatte ich glauben können, ich sei zu so etwas bereit? Ich verkroch mich in eine kleine Ausbuchtung der Clubmauern, damit mich niemand sehen konnte. Keine vermummten Männer, keine Frauen mit Reißverschlüssen über den Mündern, keine in Leder gekleideten Sklaven. Am liebsten wäre ich vollkommen unsichtbar gewesen und hätte mich bis zum nächsten Morgen hier versteckt. Ich würde mich nicht bewegen, würde ganz still sein.
    Niemand würde je erfahren, dass ich hier war.

16
    Es war eine laue Nacht, und ich hörte das Wummern der Musik durch die Clubwände. Die Hintertür ging einen Spalt auf, und dann rief Adele nach mir, wobei sie darauf achtete, den Tarnnamen zu verwenden, den sie mir für diese Nacht verpasst hatte. Als ich nicht antwortete, ging die Tür wieder zu.
    Ich weiß nicht, warum ich nicht auf ihren Ruf reagierte. Wahrscheinlich brauchte ich einfach noch ein bisschen Zeit, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und ansatzweise zu verarbeiten, was ich gerade erfahren hatte. Ich hatte vor, ein paar Minuten abzuwarten und dann wieder zurück in den Club zu gehen, aber es kam alles ganz anders.
    Plötzlich tauchten Autoscheinwerfer die Bäume hinter dem Clubgebäude in helles Licht. Ein Motor heulte auf. Dann kam ein Fahrzeug vor einer zweiten Hintertür zum Stehen, die sich ungefähr zehn Meter zu meiner Linken befand.
    Zwei Männer stiegen aus, und ich spähte gerade weit genug um die Ecke, um zu erkennen, dass es sich bei ihrem Fahrzeug um einen weißen Kleinbus handelte. Die Männer unterhielten sich leise. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber die tiefe Stimme des einen Mannes kam mir bekannt vor. Nachdem ich ein kleines Stück aus meinem Versteck herausgekrochen war und mich gerade wieder zurückziehen wollte, ging der größere der beiden Männer an den Scheinwerfern des Busses

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