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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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war, zu verstehen und ihre daraus resultierenden Ängste zu überwinden?
    »Und? Wie geht es Ihnen bisher?«, fragte sie und sah mich neugierig an.
    »Eigentlich ganz gut«, murmelte ich und riss mich von meiner Umgebung los. Mir war wieder eingefallen, dass es unhöflich war, seine Mitmenschen im echten Leben derart anzustarren.
    Dann entdeckte ich ein Pärchen, das sich uns näherte. Der Mann war groß, hatte einen langen Schnurrbart und einen vollkommen kahlen Schädel, der vor Schweiß glänzte. In der Hand hielt er eine schwarze Lederleine, an deren Ende eine dünne Frau folgte, die von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet war. Nur ihre Augen spähten durch einen Schlitz in der straff sitzenden Kopfhaube. Ihren Mund bedeckte ein zugezogener Reißverschluss. Sie taumelte vornübergebeugt auf unsicheren Beinen voran, fast so, als wäre sie verletzt. Ich blinzelte in die Dunkelheit und versuchte zu erkennen, ob ihr wirklich etwas fehlte.
    Der Mann winkte Adele freundlich zu, und sie begrüßte ihn ebenso freudig: »Hallo Piker!«
    Sie umarmten sich, und ich hätte schwören können, dass sie sogar Wangenküsse austauschten. Mir fiel es schwer, diesen düsteren Ort als Treffpunkt einer verschworenen Gemeinde zu betrachten, so unorthodox sie auch sein mochte.
    Adele beugte sich zu mir und flüsterte: »Perfekt.«
    »Setz dich doch«, forderte sie Piker auf.
    Er ging zur anderen Bank und nahm uns gegenüber Platz. Die Frau wartete schweigend auf weitere Anweisungen, aber er ignorierte sie und ließ sie einfach in Habachtstellung stehen. Adele verzog keine Miene.
    In aller Seelenruhe wandte sich Piker an uns.
    »Wen haben wir denn da?«, fragte er, wobei er nur Adele ansah und kein einziges Mal Blickkontakt zu mir aufnahm. Bevor sie mich nicht als beachtenswerte Person identifizierte, würde er mich vermutlich auch weiterhin wie einen Gegenstand behandeln.
    »Das ist … Blue. Für diese Nacht zumindest.« Sie lächelte. »Sie recherchiert zum Thema Jack Derber.«
    Verachtung huschte über das Gesicht des Mannes. »Ach, dieses Arschloch.« Er wusste jetzt, dass ich nicht Adeles Sklavin war und sah mir direkt in die Augen. »Ich hoffe, Sie berücksichtigen auch die Tatsache, dass er unsere Bewegung um zwanzig Jahre zurückgeworfen hat.«
    »Bewegung?«
    »BDSM. Als diese Geschichte herauskam, sind alle automatisch davon ausgegangen, dass er zu uns gehört. Dabei stimmt das überhaupt nicht. Ich meine, er hat sich zwar mal in der Szene herumgetrieben, aber wir haben ihn schon Jahre bevor er diese Mädchen entführt hat, rausgeschmissen. Ich hoffe, Sie veröffentlichen endlich die Wahrheit über ihn. Er war nicht wie wir anderen, er hat sich nie an die Regeln gehalten.«
    »Welche Regeln waren das?«
    »Na ja, zunächst mal hat er keine Safewords respektiert, das sind Signalwörter, mit denen man anzeigt, dass man aufhören möchte. Er hat einfach weitergemacht, dabei funktioniert nichts von alldem« – er machte eine stolze Armbewegung durch den ganzen Raum – »ohne Safewords. Darauf baut alles auf. Hier geht es nicht nur um Gewalt, sondern auch um Liebe und Intimität, müssen Sie wissen. Er hat nie verstanden, wie wichtig Vertrauen ist. Nur mit Vertrauen erreicht man den TPE.«
    »Das bedeutet Total Power Exchange, also den totalen Machtaustausch«, erklärte Adele an mich gewandt, aber mir wurde dadurch keineswegs klarer, was gemeint war. »Sie haben Glück, dass heute Abend Piker und Raven hier sind«, fuhr sie fort. »Raven war vor Jahren Jacks Sklavin.«
    Piker schüttelte sich. »Unerträglich, was er ihr angetan hat. Bricht mir heute noch das Herz, wenn ich daran denke.«
    Ungläubig starrte ich ihn an. Ihm stiegen tatsächlich die Tränen in die Augen, während er sich zu Raven umdrehte, die das Thema unseres Gesprächs sichtlich aufgewühlt hatte.
    Sie stand zwar immer noch reglos da, konnte aber nicht verhindern, dass sich ihr Schmerz in einem kurzen Aufschrei Bahn brach.
    »Schweig!«, herrschte Piker sie unvermittelt an.
    Ich zuckte erschrocken zusammen. Raven hingegen schwieg und senkte demütig den Kopf. Mir wurde schlecht von so viel Unterwürfigkeit.
    Nur ungern verfolgte ich das Thema weiter, aber ich musste einfach meine nächste Frage stellen.
    »Was hat er ihr angetan?«
    Voller Angst wartete ich auf die Antwort. Ich wusste nur zu gut, wozu Jack in der Lage war, und hätte dieser eigenartigen Frau, mit der mich eine schreckliche Erfahrung verband, gerne gesagt, dass ich sie verstand, und ihr

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