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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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danach gefragt hatte. Tief in mir drin spürte ich Widerstand aufkeimen, aber ich unterdrückte ihn. Ich war es Tracy schuldig, dass ich sie begleitete, denn schließlich war sie mit mir auf diese verrückte Reise gekommen.
    Sie wendete das Auto und fuhr wieder aus dem Stadtzentrum hinaus. Ich blickte in den Rückspiegel und sah die Innenstadt hinter uns verschwinden.
    »Tracy«, sprach ich sie fast schüchtern an. »Fahren wir nicht in die falsche Richtung?«
    »Nein«, antwortete sie. »Keine Sorge, es ist nicht weit.«
    Ich sagte nichts mehr, auch nicht, als wir vom Highway auf einen Feldweg abbogen, den seit Jahren niemand mehr benutzt zu haben schien. Der Boden war matschig, und die Autoreifen sanken für meinen Geschmack ein wenig zu tief ein. Tracy schaltete in einen niedrigen Gang und ließ den Motor aufheulen. Die Entschlossenheit auf ihrem Gesicht machte mir Angst.
    »Tracy«, versuchte ich es erneut. Meine Stimme war kaum noch ein Flüstern. »Wohin fahren wir?« Ich schluckte, weil ich nicht wusste, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte. Plötzlich kam mir eine finstere Ahnung: Vielleicht hasste sie mich immer noch und wollte sich endlich an mir rächen? Vielleicht war das von Anfang an das Ziel dieses Ausflugs gewesen? Ich war ihr wehrlos ausgeliefert. Sie kannte diese vergessenen Feldwege wie ihre Westentasche, und es war keine Menschenseele zu sehen. Sie hätte alles mit mir tun können. Alles.
    Ich spürte, wie die Panik von meiner Magengrube aus nach oben stieg, erst in den Brustkorb und dann in meinen Kopf. Mir wurde schwindlig. Die vertrauten Anzeichen. Wie hatte ich nach all meinen Vorsichtsmaßnahmen auf diesen billigen Trick hereinfallen können? Sie hatte mir vor Jahren im Keller prophezeit, dass sie mich umbringen würde, wenn wir es jemals aus unserem Verlies herausschafften, egal wo ich mich verstecken würde. Damals hatte ich ihre Drohung ausgeblendet, weil ich mich voll auf mein Vorhaben konzentrieren musste, aber jetzt konnte ich an nichts anderes mehr denken. Ich ließ Tracy keine Sekunde aus den Augen.
    Verzweifelt versuchte ich, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Sie fuhr viel schneller, als es die Bodenverhältnisse zuließen. Weil sie beim Anmieten des Wagens ausdrücklich um eine manuelle Gangschaltung gebeten hatte, saß ich hilflos in der Wildnis fest, selbst wenn ich es irgendwie schaffte, sie zu überwältigen. Ich hatte nie gelernt, mit Handschaltung zu fahren.
    Tracys Augen waren starr nach vorne auf den Feldweg gerichtet. Sie beantwortete keine meiner Fragen, schien nicht mehr die Person zu sein, mit der ich bisher gereist war – eine Frau, die mich stets auf Distanz gehalten hatte, was mir nur recht gewesen war. Ich hatte geglaubt, ihre Wut auf mich sei inzwischen verraucht und einer vagen Verachtung gewichen. Offenbar hatte ich mich geirrt.
    Das Auto rumpelte so heftig über die Schlaglöcher im Feldweg, dass ich Angst hatte, mir den Kopf an der Autodecke zu stoßen.
    »Tracy«, stammelte ich. »Tracy, es tut mir leid, wirklich. Ich wollte nicht …«
    »Halt den Mund!«, sagte sie knapp und riss das Lenkrad scharf nach rechts, um einem klaffenden Schlagloch auszuweichen. »Nicht jetzt.«
    Also hielt ich den Mund und tastete mit der rechten Hand nach dem Türgriff. Sollte ich aus dem Auto springen? Wie schnell konnte ich rennen, und wie weit würde ich kommen? Vermutlich nicht besonders weit, aber wenigstens hatte ich meine Handtasche mit allen Dokumenten und Kreditkarten bei mir. Ich wickelte mir den Riemen mehrmals ums Handgelenk, damit ich die Tasche nicht verlor, wenn ich endlich den Mut aufbrachte, mich aus dem Auto zu stürzen. Neben dem Feldweg wuchs dichtes Gestrüpp, aber wenn ich die Arme hochriss und mit dem Rücken voran sprang, konnte ich mein Gesicht vielleicht vor den schlimmsten Kratzern schützen und mich ins dahinter wachsende Gras rollen.
    Ich hatte panische Angst vor dem Sprung, aber vor dem Ausdruck auf Tracys Gesicht hatte ich noch mehr Angst.
    Endlich zwang ich mich, vorsichtig am Metallgriff der Tür zu ziehen, gerade genug, um die Türverriegelung zu lösen. Dann schloss ich die Augen und fing an zu zählen. Eins, zwei, drei …
    Beim ersten Mal verließ mich der Mut.
    Ich warf einen Blick auf den Tacho. Mir kam es vor, als würden wir mindestens hundertzwanzig fahren, aber die Nadel zeigte nicht einmal siebzig Stundenkilometer an.
    Ich richtete den Blick wieder nach vorne auf den Feldweg. In diesem Moment näherte sich ein Streifen weich

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