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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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warum er es getan hat. Es fällt mir unendlich schwer, diesen Ort aufzusuchen, aber hier fühle ich mich ihm am nächsten.« Sie ging ein Stück ins Wasser hinein, setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Für einen kurzen Moment dachte ich, sie wollte ihrem Bruder folgen. Wie besiegt stand sie da, mit hängenden Schultern und gesenktem Blick.
    »Ich hätte ihn nicht alleinlassen dürfen. Ich hätte ihn niemals alleinlassen dürfen. Damals habe ich Zuflucht in der Clubszene gesucht, nach einem Ausweg aus allem. Und weil ich so tief in der Szene drinsteckte und nichts mehr mitbekommen habe, habe ich Ben verloren. Den Einzigen, den ich je geliebt habe.«
    Ich schwieg, weil ich aus Erfahrung wusste, dass einem nichts, was andere sagen, über die Trauer hinweghilft. Man muss einfach stillhalten und zulassen, dass der Schmerz immer wieder wie eine Welle über einen hinwegspült, bis die Brandung irgendwann ganz langsam und stufenweise abflaut. Also stand ich einfach nur schweigend da und blickte auf den Lake Pontchartrain und den schillernden Sonnenuntergang.
    Ohne dass es eine von uns aussprach, war mir klar, dass die Ereigniskette, die hier an diesem See ihren Anfang genommen hatte, damit geendet hatte, dass Tracy in Jacks Keller gelandet war. Hätte sie damals nicht versucht, ihre Trauer mit Heroin zu betäuben, wäre sie Jack vielleicht nie in die Hände gefallen. Wenn ich sie ansah, fragte ich mich, was schlimmer für sie gewesen war: die schrecklichen Dinge, die Jack ihr angetan hatte, oder das hier.  
    Wir blieben lange am Ufer sitzen, bis es irgendwann so spät war, dass ich nervös wurde. Man sah kaum noch etwas in der Dämmerung.
    Plötzlich bewegte sich etwas in der Nähe. Es war nur das Knacken eines Zweiges, aber meine Nervenenden erwachten trotzdem kribbelnd zum Leben. Ich warf einen Blick zu Tracy hinüber, die gedankenversunken auf dem Boden saß, die Arme um die Knie geschlungen.
    Wieder hörte ich ein Knacken. Dieses Mal schien es auch Tracy gehört zu haben. Überrascht stellte ich fest, wie vertraut mir ihre körperlichen Signale waren, so als befänden wir uns immer noch zusammen im Keller. Ohne uns zu verständigen, lauschten wir in die Nacht hinein, genau wie damals im Verlies, wenn wir Jacks Auto in der Auffahrt hörten und die Anspannung unseren ganzen Körper erfasste, wenn sich kaum merklich unsere Nackenmuskeln zusammenzogen und unsere Kiefer verkrampften, sobald er das Haus betrat. Genau wie damals lauerten wir nun und lauschten.
    »Tracy«, flüsterte ich. »Können wir gehen?« Ich blickte auf mein Handy, wie immer, wenn ich nervös war. Tracy nickte und stand hastig auf. Sobald wir im Auto saßen, betätigte sie die Türverriegelung, ohne dass ich sie darum bitten musste. Nachdem sie die Scheinwerfer eingeschaltet hatte, fuhren wir los, langsam zunächst und dann immer schneller, bis wir den Zeltplatz weit hinter uns gelassen hatten.
    Dann sahen wir vor uns auf dem Feldweg plötzlich den Schatten eines Mannes. Tracy trat auf die Bremse, und wir stießen gleichzeitig einen spitzen Schrei aus. Der Mann trug ein offenes kariertes Hemd und darunter ein weißes T-Shirt. Er hatte lange Haare und einen Ziegenbart und breitete die Arme aus. Ich konnte nicht erkennen, ob es eine Geste der Kapitulation oder der Aggression war. Dann fing er an, auf unser Auto zuzugehen.
    Ich kontrollierte noch einmal, ob sämtliche Autotüren verschlossen waren, und sah mich panisch nach allen Seiten um. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung war und stellte erschrocken fest, dass ein zweiter Mann aus der Dunkelheit auftauchte und geradewegs auf meine Tür zurannte. Er riss am Türgriff.
    Wieder begannen Tracy und ich zu schreien. Dann trat Tracy so heftig aufs Gaspedal, dass der Mann im karierten Hemd sich gerade noch mit einem Sprung in die Büsche retten konnte. Selbst als die beiden Männer längst nicht mehr im Rückspiegel zu sehen waren, jagte Tracy den Wagen noch in vollem Tempo über die Schlaglöcher. Unsanft wurden wir im Auto herumgeschleudert. Ich schloss die Augen und atmete tief und kontrolliert ein und aus, wobei ich leise vor mich hinzählte.
    Tracy verlangsamte die Geschwindigkeit erst, als wir die Stadtgrenze erreicht hatten. Unter der grellen Beleuchtung einer Chevron-Tankstelle hielten wir an, um zu tanken. Dann fuhren wir weiter, bis Tracy ein Waffelhaus entdeckte. Dort suchten wir uns eine Sitznische in der Ecke, bestellten Kaffee und warteten, dass sich unser Herzschlag beruhigte und

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