Danach
Außerdem hat sie uns alle drei behandelt, zumindest am Anfang. Komm schon, Sarah, das ist doch kein Zufall. Die beobachten uns. Um sicherzugehen, dass wir nicht noch einmal vor Gericht ziehen und eine Entschädigung verlangen. Deshalb habe ich mir auch sofort eine private Therapeutin gesucht. Mit Dr. Simmons treffe ich mich nur einmal im Jahr, um Jim zufriedenzustellen. Check-in nennt er das, und ich bin mir sicher, dass das wörtlich gemeint ist. Er checkt uns und unser Befinden in sein System ein, nachdem Dr. Simmons ihre Informationen an ihn weitergeleitet hat.«
»Was willst du damit sagen?«
»Komm schon, Sarah. Ich bin mir absolut sicher, dass sie dem FBI alles weitererzählt, was sie von uns erfährt. Und das FBI speist es dann in seine riesige Datenbank ein. Wahrscheinlich fordern sie uns eines Tages auf, als geheime Auftragsmörder für sie zu arbeiten. Die haben doch längst einen Mikrochip in unsere Gehirne gepflanzt. Was Jack Derber nicht geschafft hat, bringt das FBI zu Ende.«
Mir war nicht ganz klar, ob Tracys Theorie ihrem Sinn für schwarzen Humor entsprang oder ob die Welt tatsächlich noch perfidere Dinge bereithielt, als ich für möglich hielt. Aber ich nahm mir vor, später darüber nachzudenken, und schob diesen beunruhigenden Gedanken zunächst beiseite.
Unser erstes Ziel war Keeler, Sylvias Wohnort. Ich wollte sehen, ob sie in der Zwischenzeit zu Hause gewesen war, und falls nicht, ob ihr Briefkasten neue Informationen bereithielt.
Langsam fuhren wir an Sylvias Haus vorbei. Alles war unverändert. Der Briefkasten war immer noch voll bis oben hin. Der Briefträger hatte versucht, ihn zu schließen, aber der Deckel ging nur noch halb zu. Wir wendeten und hielten vor dem Haus. Nachdem ich mich gründlich umgesehen hatte, sprang ich aus dem Auto.
Ganz oben im Briefkasten lag ein Zettel, eine Benachrichtigung, dass Sylvias Post von nun an im Postamt aufbewahrt werden würde. Ich grub ein wenig tiefer, entdeckte aber nur weitere Werbepost. Keine Briefe von Jack. Das konnte nur bedeuten, dass er wahrscheinlich wusste, wo sie war, beziehungsweise, wo sie nicht war.
»Okay, fahr los«, rief ich Tracy zu, nachdem ich wieder ins Auto gesprungen war.
»Ist wieder jemand hinter uns her?«, fragte sie, und ich hätte nicht sagen können, ob sie mich aufzog oder es ernst meinte.
»Nein, aber ich muss so schnell wie möglich hier weg. Dieser Ort ist mir irgendwie unheimlich.«
Tracy trat sofort aufs Gas, und wir fuhren ans andere Ende der Stadt zu Val und Ray, bei denen ich uns zum Abendessen angemeldet hatte. Während wir in der Auffahrt zu ihrem adretten Bungalow hielten, teilte ich Tracy mit, dass sie für die Dauer unseres Aufenthalts Lily heißen würde. Sie zog eine Grimasse und fragte, ob sie sich den Decknamen beim nächsten Mal wenigstens selbst aussuchen dürfe.
Ray wartete im Schaukelstuhl auf der Veranda auf uns und bat uns nach einer herzlichen Begrüßung nach drinnen. Das Innere des Bungalows war hell und einladend, alles war in zarten, beruhigenden Pastelltönen eingerichtet. Irgendwo musste ein Eintopf vor sich hinköcheln, denn der köstliche Duft, der durchs Haus zog, erinnerte uns daran, dass wir seit dem dürftigen Mittagessen im Flugzeug nichts mehr zu uns genommen hatten.
Ich stellte Tracy als Lily vor und war erleichtert, dass sie nicht widersprach. Sogar als Ray witzelte, wie sehr ihre vielen Piercings wehgetan haben müssten, nickte sie nur und lächelte milde. Überhaupt zeigte sie sich von ihrer besten Seite, stellte ich erleichtert fest, während sich Val zu uns gesellte.
»Ich habe mich sehr gefreut, wieder von Ihnen zu hören, Caroline«, begrüßte sie mich. Ich zuckte zusammen, als ich den Namen hörte, gegen den sich mein Körper immer noch wehrte. Val schüttelte unterdessen Tracy die Hand und fragte: »Wie lange arbeiten Sie schon mit Caroline an ihren Recherchen?«
Tracy rollte die Augen in meine Richtung und murmelte leise ein vielsagendes »Oh, noch nicht lange«.
»Wie schön, dass Sie beide zum Abendessen bleiben«, fuhr Val übergangslos fort. »Danach möchte Ihnen Ray nämlich etwas zeigen.«
Nach dem Dessert entschuldigte sich Ray und kehrte ein paar Minuten später mit einem großen Fotoalbum zurück. Stolz legte er es vor uns ab. Val kicherte.
»Er wartet schon so lange darauf, es endlich jemandem zeigen zu können«, erklärte sie. »Ich selbst will nichts damit zu tun haben, und normalerweise lasse ich auch nicht zu, dass er es anderen
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