Danach
seither überzeugt, die Welt der Wissenschaften im Sturm erobern zu können. Sie hält sich für ein ultimatives Genie, und trotzdem sitzt sie hier auf einer miesen staatlichen Uni am Arsch der Welt fest.«
»Aber so schlecht ist die Uni doch gar nicht, oder?«
Tracy schüttelte den Kopf. »Genau das hat sie auch gesagt. Aber ihr ist herausgerutscht, dass sie an einem großen Forschungsprojekt arbeitet, das sie in einem Jahr auf einer wichtigen Konferenz vorstellen will. Was das Thema angeht, wollte sie nicht so recht mit der Sprache herausrücken, aber das ist normal unter Wissenschaftlern. Worum auch immer es sich bei ihrem Projekt handelt, sie scheint überzeugt zu sein, dass es ihr einen prestigeträchtigeren Posten einbringt. Sie wirkt zwar unheimlich selbstsicher, aber wenn du mich fragst, hat sie insgeheim das Gefühl, eine Versagerin zu sein, solange sie hier arbeitet.«
»Hm … klingt einleuchtend«, nuschelte ich, den Mund voll Rührei. »Und was hältst du von dieser BDSM-Geschichte?«
»Keine Ahnung. Vielleicht will sie ja wirklich verstehen, wie Jack tickt. Ich vermute allerdings eher, dass sie einfach nur subversiv und radikal sein will, um die Aufmerksamkeit gewisser Fachkreise zu erregen.« Tracy wollte noch mehr sagen, aber in diesem Moment klingelte mein Handy. Ich hob einen Finger und ging dran.
»Hallo?« Ich hatte Jims Nummer auf dem Display erkannt, aber er antwortete nicht sofort.
»Jim, sind Sie dran?«
Tracy warf mir einen neugierigen Blick zu, bevor sie weiter ihren Toast butterte.
»Ja, ich bin dran. Sarah, ich habe hier etwas für Sie.«
»Ach, sind Sie fertig mit Ihrer Rechercheaufgabe?« Ich musste unwillkürlich lächeln.
»Es … es fällt mir schwer, das zu sagen, aber es scheint da tatsächlich ein … ein gewisses Muster zu geben. Wir haben uns die Unterlagen der Uni und Jacks persönliche Ausgaben angesehen, seine Spesenabrechnungen und so weiter. Ich glaube, wir können relativ zuverlässig nachzeichnen, wo er sich vor und während eurer Gefangenschaft aufgehalten hat, und es liegt in der Tat eine Übereinstimmung mit den Vermisstenanzeigen vor. Es sieht ganz danach aus, als wären in jeder Stadt, die er im Rahmen einer Konferenz besucht hat, junge Frauen verschwunden. Ich habe eine Liste vorliegen.«
»Wie viele Namen?«
Er antwortete nicht. Ich versuchte es noch einmal, diesmal mit leiserer Stimme: »Ich will wissen, wie viele Namen es sind.«
Tracy hielt mit dem Messer in der Hand inne und sah mich an. Die Anspannung stand ihr überdeutlich ins Gesicht geschrieben.
»Jim, wir haben ein Recht darauf zu erfahren, wie viele es sind. Wir müssen es wissen.«
Er seufzte. »Achtundfünfzig. Sie vier eingeschlossen.«
Tracy sah meinen schockierten Gesichtsausdruck und fing an, noch mehr Butter auf ihren Toast zu streichen. Erst als er völlig durchweicht war, legte sie ihn beiseite, schluckte und starrte in die Ferne.
Ich holte tief Luft. »Ich will die Liste, Jim.«
Noch während ich es sagte, sah ich Jim vor mir, wie er sich die Hand vors Gesicht hielt.
»Sarah, Sie wissen genau, dass das nicht geht.«
»Warum nicht?«
»Weil das streng vertrauliche Informationen sind. Außerdem wäre es wahrscheinlich keine gute Idee, Ihnen die Liste zum jetzigen Zeitpunkt zu zeigen. Lassen Sie mich noch ein bisschen genauer nachforschen. Vielleicht stellen wir noch weitere Übereinstimmungen fest.«
»Wurden außer uns noch andere junge Frauen von der Liste gefunden? Gibt es identifizierte Leichen?«
Wieder ließ er sich Zeit mit seiner Antwort. »Nur ihr drei seid wieder aufgetaucht.«
»Es handelt sich also bei sämtlichen Namen um ungeklärte Fälle? Wird noch nach den Mädchen gesucht?«
»Sarah, Sie dürfen nicht vergessen, dass in den Vereinigten Staaten jedes Jahr über achthunderttausend Menschen verschwinden. Vermisstenfälle werden normalerweise schnell wieder zu den Akten gelegt. Außerdem sind manche der mir vorliegenden Vermisstenanzeigen schon mehr als fünfzehn Jahre alt.«
»Na und? Wenn diese Frauen noch leben, sind sie auch nicht viel älter als ich. Ich würde trotzdem wollen, dass man nach mir sucht.«
»Aber die Wahrscheinlichkeit, dass …«
»Danke, ich kenne die Statistiken zur Genüge.«
Jim schwieg. Dann fragte er: »Wo sind Sie, Sarah? Fangen wir doch damit an. Ich komme zu Ihnen, und dann machen wir gemeinsam weiter.«
»Das sind eine Menge Familien, die noch auf ihre Töchter warten, Jim. Ich will die Namen sehen.«
»Wo sind Sie?«,
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