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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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Tracy zu. »Aber mir gehen diese Mädchen nicht mehr aus dem Kopf. Vierundfünfzig Mädchen. Wenn auch nur die Chance besteht, dass wir ein einziges davon finden …«
    »Können wir nicht wenigstens tagsüber hinfahren?«
    »Du meinst, damit uns jeder, der dort vorbeikommt, klar und deutlich sehen kann? Mach dich nicht lächerlich! Ich muss dir ja wohl kaum erklären, wie viel gefährlicher das wäre. Wir sind auf den Schutz der Dunkelheit angewiesen.«
    Ich spürte, wie meine Schultern anfingen zu beben, aber ich schluckte meine Tränen mühsam hinunter. Tracy sollte mich nicht schon wieder weinen sehen. Der Gedanke, zurück zu der Lagerhalle zu müssen, war mir unerträglich.
    Ich brauchte frische Luft. Weil sich die Fenster des Hotelzimmers nicht öffnen ließen, schnappte ich mir die laminierte Speisekarte vom Zimmerservice und fächelte mir damit Luft zu. Tracy beobachtete mich dabei, aber ich hatte es aufgegeben, aus ihrem Gesichtsausdruck schlau werden zu wollen. Trotzig blickte ich in die andere Richtung.
    »Komm schon, Sarah«, drängte sie mich. »Irgendwann musst du dich überwinden. Du hast es schon so weit geschafft. Vor einem Monat wäre ein Besuch im Waschsalon noch undenkbar gewesen. Ich weiß, dass dir das alles nicht leichtfällt. Für mich ist es genauso schwer, aber wenigstens musst du dieses Mal nicht alleine dorthin.«
    Sie ging ins Badezimmer und kam mit einer Rolle Toilettenpapier wieder zurück.
    »Hier«, sagte sie und drückte mir die Rolle umstandslos in die Hand. »Heul dich richtig aus. Danach fühlst du dich besser. Und dann wäschst du dir das Gesicht, und wir werfen gemeinsam einen Blick auf Google Earth.« Sie machte eine Pause, bevor sie fortfuhr: »Und wenn du dann immer noch meinst, dass es nicht geht, fahre ich eben alleine.«
    Ich schnappte nach Luft. »Das würdest du nicht wirklich tun, oder?«
    »O doch. Du kennst meine Philosophie: Spring ins kalte Wasser und stell dich deiner Angst, bekämpfe sie. Angriff ist die beste Verteidigung.«
    Das hatte mir gerade noch gefehlt. Noch ein Mensch, den ich auf dem Gewissen hatte. Ich war diejenige, die Tracy hierhergebracht hatte, zurück in den Albtraum unserer Vergangenheit, wie konnte ich da zulassen, dass sie alleine zur Lagerhalle fuhr? Wenn ihr etwas zustieß, würde ich mir ein Leben lang Vorwürfe machen. Ich musste mich zusammenreißen. Also saß ich in ihrem Hotelzimmer und hasste sie, aber mich selbst hasste ich noch mehr, weil ich uns diese ganze Sache überhaupt erst eingebrockt hatte. Wenn ich nicht den Entschluss gefasst hätte, nach Jennifer zu suchen, würde ich jetzt in meiner friedlichen weißen Oase im elften Stock sitzen, thailändisches Essen bestellen und alte Filmklassiker gucken, die ich mir schon hunderte Male alleine reingezogen hatte.
    Verdammt, ich musste mit.

    Um zehn Uhr an diesem Abend fuhren wir schwarz gekleidet und in unseren bequemsten Schuhen vom Hotelparkplatz los. Insgeheim hoffte ich, dass ich die Lagerhalle nicht wiederfand oder dass die Erde sie verschluckt hatte, mitsamt den perversen Ritualen, die darin stattfinden mochten.
    Unterwegs erzählte mir Tracy, dass sie am Vormittag noch Christine erreicht hatte, nachdem es ihr irgendwie gelungen war, Jim zur Herausgabe ihrer Nummer zu bewegen.
    »Und?«, fragte ich. »Hattest du Erfolg?«
    »Es war schon ein echtes Wunder, dass sie nicht gleich aufgelegt, sondern mir bis zum Ende zugehört hat. Dann hat sie so lange geschwiegen, dass ich schon dachte, die Verbindung wäre unterbrochen worden. Als sie schließlich doch noch etwas gesagt hat, hat sie sich in aller Seelenruhe für das ›Update‹ bedankt. Das Update ! Und das war’s dann auch schon, sie sagte, dass sie ihren Flug kriegen muss, und hat aufgelegt.«
    Es war offensichtlich, wie sehr Christines Gleichgültigkeit Tracy zu schaffen machte, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Ich selbst hatte nichts anderes von dem Gespräch erwartet, also zuckte ich nur mit den Schultern und zupfte meine schwarzen Handschuhe und meine Baseballkappe zurecht.
    Nach einigen Fehlversuchen fanden wir die Schotterpiste zur Gruft und fuhren bis zum Parkplatz des Clubs, um sicherzugehen, dass wir auch die richtige Straße erwischt hatten. Dort parkten wir und schalteten die Scheinwerfer aus. Wir durften nichts überstürzen. Tracy spähte durch die Dunkelheit zu einem Mann hinüber, der neben seinem Auto stand und eine schwarze Lederjacke mit Fransen über seine muskulösen Schultern zog.
    »Genau dein

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