Danach
wiederholte er seine Frage.
Ich zögerte. »Immer noch in Portland. Mit Tracy. Bringen Sie die Liste mit.«
Ich beendete das Gespräch und blickte zu Tracy hinüber, die immer noch auf ihr Frühstück starrte.
»Wie viele?«
»Achtundfünfzig. Mit uns.« Tracy blieb vor Schock der Mund offen stehen.
»Das muss ich sofort Christine erzählen«, sagte sie und legte die Gabel beiseite, bevor sie sich angespannt vorbeugte. »Damit sie kapiert, welche Ausmaße das Ganze angenommen hat. Es geht nicht mehr nur darum, Jennifer zu finden.«
»Und es geht nicht mehr nur um Jack.«
»Wie meinst du das?«
»Achtundfünfzig Mädchen. Kann Jack das wirklich alles allein getan haben? Wenn es damals tatsächlich so etwas wie einen Geheimbund gab, der genau wie die Gruppe um Bataille mit Menschenopfern liebäugelte … O Gott … meinst du nicht, dass es da vielleicht eine Verbindung gibt?«
Tracy starrte immer noch in die Ferne. »Die Lagerhalle. Wir müssen zu dieser Lagerhalle. Um nachzusehen, wofür sie benutzt wurde. Oder immer noch benutzt wird «, sagte sie.
Mir rutschte das Herz in die Hose. »Warum warten wir nicht, bis Jim hier ist? Dann kann er dieses finstere Ungetüm von Halle unter die Lupe nehmen, das vielleicht sogar als Tempel für Menschenopfer verwendet wurde«, schlug ich vor und hoffte, sie mit dieser Argumentation zu überzeugen.
»Sarah, auch wenn Jim grundsätzlich gewillt ist, uns zu helfen, das FBI will diese vielen Vermisstenfälle bestimmt nicht wieder aufrollen. Schließlich übt keiner Druck auf sie aus, die Medien wissen noch nichts davon. Man muss erst Bewegung in die Sache bringen, so läuft das. Vertrau mir, ich verdiene mein Geld damit. Wir müssen noch mehr Indizien zusammentragen, irgendetwas, das sie zwingt, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Und zwar sofort.«
»Aber Jim hat doch gesagt, dass er nach weiteren Parallelen sucht. Er braucht nur ein bisschen mehr Zeit«, flehte ich.
»Die Polizei hatte jahrelang Zeit, diesen Fällen nachzugehen. Ich fange allmählich an zu glauben, dass du von Anfang an recht hattest. Wir müssen handeln, und zwar jetzt gleich. Wir können nicht warten, bis das FBI endlich den Hintern hochkriegt. Es muss eine Verbindung zwischen Noah Philben und Jack geben. Findest du es nicht seltsam, dass Sylvia erst Noahs Glaubensgemeinschaft beigetreten ist und dann von ihm mit Jack verkuppelt wurde? Außerdem hast du Noah Philben bei diesem SM-Club gesehen. Die Lagerhalle gehört ihm. Wir müssen herausfinden, was drin ist.«
28
»Ich kann das nicht«, sagte ich eine Stunde später zu Tracy, als sie mir die Tür ihres Hotelzimmers aufmachte und mich hereinbat. In ihrem Zimmer herrschte das reinste Chaos, überall lagen dunkle Kleider und martialisch anmutender Schmuck herum. Es sah aus, als hätte eine Horde Teenager aus der Gothic-Szene hier gewütet. Ich räumte ein paar Sachen von einem Sessel am Fenster und setzte mich, mit geradem Rücken und erhobenem Kinn, fest entschlossen, die Rede zu halten, die ich in meinem Hotelzimmer geübt hatte, seit sie am Morgen auf ihre wahnwitzige Idee gekommen war.
Tracy setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf die Bettkante, stützte die Ellbogen auf die Knie und verschränkte die Hände. Dann sah sie mich erwartungsvoll an, als wüsste sie genau, was jetzt kam.
»Ich bin noch einmal in mich gegangen und glaube nicht, dass ich es schaffe«, setzte ich an.
»Was schaffst du nicht? Nach Jennifer zu suchen?«
»Ich schaffe es nicht, mitten in der Nacht in eine Lagerhalle einzudringen. Ohne die Polizei.«
»Die Polizei? Entschuldige bitte, aber hast du den Eindruck, dass die Polizei Ermittlungsbedarf sieht? Die glauben doch noch nicht mal, dass ein Verbrechen vorliegt. Und vielleicht liegt ja auch gar keins vor. Wir betreten unbefugt Privatgelände, da gebe ich dir absolut recht. Und wenn wir unseren ganzen Mut zusammennehmen, begehen wir eventuell sogar Hausfriedensbruch.«
»Eben, und genau deshalb sollten wir es bleibenlassen«, konterte ich.
»Hast du einen anderen Vorschlag, wie wir an Indizien kommen?«
Ich antwortete nicht.
»Dachte ich’s mir doch. Was bleibt uns also für eine Wahl? Sag bloß, du willst einfach so aufgeben! Was ist schlimmer: durchs Fenster in eine Lagerhalle zu spähen oder zu erleben, wie Jack Derber als freier Mann vor deiner Tür steht?«
Ich erschauderte. »Alles, nur das nicht.«
»Ich bin auch nicht gerade begeistert von der Vorstellung, zu dieser Halle zu fahren«, gab
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