Danach
wir die Deckung der Bäume verlassen hatten. Schließlich holte ich tief Luft und fügte mich in das Unvermeidliche. Nachdem ich mich auf die andere Seite des Tors gestellt und den Griff gepackt hatte, hob Tracy nacheinander drei Finger: eins, zwei, drei. Mit vereinten Kräften zogen wir am Tor. Als wir spürten, dass es leicht nachgab, beugten wir uns erneut nach unten und zogen noch fester. Das Tor klemmte, aber es gelang uns, es ungefähr einen halben Meter nach oben zu stemmen. Tracy legte sich flach auf den Bauch und machte Anstalten, darunter hindurchzukriechen.
»Was machst du da?«, fragte ich erschrocken.
»Wie sollen wir denn sonst rausfinden, was in der Halle ist?«
Mein Atem ging immer schneller, mein Puls raste.
»Ich warte hier draußen«, verkündete ich, obwohl ich mich allein vor der Halle auch nicht sicherer fühlte.
»Wie du willst.«
Nachdem sie aus meinem Blickfeld verschwunden war, begann ich nervös auf und ab zu gehen, wobei ich die Schritte zum Wald zählte und überschlug, wie lange sie im Notfall brauchen würde, um wieder aus der Halle zu kriechen und sich mit mir im dichten Unterholz zu verstecken. Dann hörte ich plötzlich ein lautes Krachen und fuhr herum: Das Garagentor war wieder zugefallen! Falls sich doch jemand im Gebäude aufhielt, wusste er spätestens jetzt, dass wir da waren.
Zitternd vor Schreck schlich ich zum Fenster zurück und spähte hinein. Genau in diesem Moment ging in der Halle das Licht an, und ein Gesicht starrte mir aus wenigen Zentimetern Entfernung entgegen. Ich schrie und machte einen Satz nach hinten, bevor ich merkte, dass es Tracy war. Grinsend zeigte sie zur Tür. Als ich dort angekommen war, öffnete sie mir von innen und ließ mich herein.
»Siehst du, alles in Ordnung. Es ist niemand hier.«
Das Innere der Halle wirkte riesig und gleichzeitig höhlenartig. Ich hatte das Gefühl, dass die Wände immer näher kamen. Nervös warf ich einen Blick zur Tür und vergewisserte mich, dass sie offen stand. Das Gebäude war leer bis auf Stahlverschläge entlang der Wände. Vielleicht wurde darin Vieh untergebracht, überlegte ich. Jeder Verschlag war gut einen Meter breit und mit einem in den Boden verschraubten Metallgestell versehen, auf dem ein Klemmbrett mit Papier und Stift lag. Darüber baumelte jeweils ein Schlauch mit Spritzdüse von der Decke, und an der Rückwand der Verschläge waren vier kleine Haken angebracht. Eine Reihe trüber Glühbirnen, die über unseren Köpfen an Kabeln hin- und herbaumelten, erhellte das Ganze nur ungenügend und warf unförmige Schatten.
Tracy betrat einen der Verschläge und beugte sich über den Abfluss in der Mitte des Bodens. Dann kniete sie sich hin und starrte einen winzigen Gegenstand an. Ich kauerte mich neben sie und beobachtete, wie sie die behandschuhte Hand ausstreckte und den Gegenstand zwischen den Fingern nach oben ins schwache Licht hob. Angewidert wich ich zurück. Es war ein menschlicher Fingernagel, im Ganzen. An seinem Ende hing ein ausgefranstes, vertrocknetes Stück menschliches Fleisch. Tracy starrte den Fingernagel finster an und legte ihn dann vorsichtig wieder an die Stelle, an der sie ihn gefunden hatte. Schockiert setzten wir uns nach hinten auf die Fersen und überlegten fieberhaft, was dieser menschliche Überrest bedeuten mochte.
Tracy bemerkte die Lichter zuerst, weil ich der Tür den Rücken zudrehte. Bevor ich verstand, was passierte, sah ich die Panik in ihren Augen. Zu spät hörte ich das Brummen eines Automotors vor der Halle, dann wurde eine Tür zugeschlagen. Wir waren nicht mehr allein.
Uns blieb keine Zeit, das Licht auszuschalten, denn der Schalter befand sich neben der Tür, und genau von dort kamen die Geräusche. Tracy und ich rannten zum Garagentor und packten jeweils einen Griff, um das Tor nach oben zu ziehen, aber beim Herunterfallen war das Schloss eingerastet. Dieses Mal bewegte sich das Tor auch durch heftiges Reißen nicht von der Stelle.
Ein eiskalter Schauder durchfuhr mich. Außer der Tür gab es keinen Ausweg aus der Halle. Wir hörten, wie sich Schritte näherten, und rannten in Panik in den hintersten Verschlag, wo wir uns dicht an die Wand pressten. Unsere Füße versteckten wir hinter einem großen Plastikeimer, den eine glückliche Fügung dort platziert hatte.
Ich verfluchte mich für das brennende Licht. Daran war ich schuld. Tracy hatte es nur eingeschaltet, damit ich mich sicherer fühlte. Wenn wir stattdessen unsere Taschenlampen benutzt
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