Dance of Shadows
löffelte Zucker in ihren Teebecher.
Vanessa legte ihre Gabel ab. »Ich weiß, aber ist es nicht sehr merkwürdig, dass sie mir beide unabhängig voneinander denselben Rat gegeben haben?«
»Aber keiner von beiden hat dir gesagt, warum«, wandte Steffie ein. »Wirst du da nicht skeptisch?«
Vanessa seufzte. »Justin sagte, er habe einen Grund dafür gehabt, mich bei der Probe zu sabotieren. Er habe mich damit
retten
wollen.«
»Wie denn das?«, sagte Steffie.
Vanessa schoss plötzlich ein Gedanke durch den Kopf. Aber sie schob ihn beiseite und sagte: »Ich habe keine Ahnung.«
Steffie hörte auf zu essen. »Überlegst du dir wirklich ernsthaft, von der Schule abzugehen, nur weil Justin und eine verrückte Tänzerin es dir geraten haben?«
»Nein«, erwiderte Vanessa in bestimmtem Ton. »Aber du hättest Helen sehen sollen! Sie hat schon ewig nicht mehr geduscht oder sich die Haare gewaschen. Ihre Kleider sahen echt abartig runtergekommen aus. Und dann ihr Blick. In ihren Augen lag die pure Verzweiflung.«
»Ein Grund mehr,
nicht
auf sie zu hören«, folgerte Blaine. »Außerdem erinnert mich deine Beschreibung von ihr irgendwie an meine Mom.«
»Ich frage mich, was wohl bei ihr schiefgelaufen ist«, murmelte TJ. Sie wandte sich an Blaine. »Bei Helen natürlich. Nicht bei deiner Mom.«
»Sie hat wahrscheinlich dem großen Druck nicht standhalten können«, sagte Steffie. »Weißt du noch, als wir sie damals nach der Aufführung getroffen haben? Sie stand völlig neben sich.«
»Und was ist mit der Bestrafung, von der Dimitri gesprochen hat?«, fragte Vanessa.
Steffie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht musste sie dafür zusätzliches Spitzentraining an der Stange machen. Josef und Hilda brummen uns das doch auch immer auf, wenn wir mal wieder Murks machen.«
»Das schon, aber ich weiß, was Vanessa sagen will.
Bestrafung?
«, sagte TJ und strich sich das Haar zurück. »Das ist schon eine eigenartige Wortwahl.«
»Dimitri kommt aus Russland«, wandte Steffie ein. »Sein Englisch ist nicht unbedingt perfekt. Und obendrein ist er auch noch arrogant und jähzornig.«
»Und sexy«, warf Blaine ein.
»Sie ist am Eingang zum Central Park auf mich zugekommen«, sagte Vanessa und gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen. »Vielleicht können wir sie da in der Nähe noch mal finden. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass sie verrückt ist, kann es schließlich nicht schaden, sie zu fragen, was passiert ist. Oder?«
Steffie blickte skeptisch drein. »Klar, dann fragen wir also einfach diese psychisch kranke Tänzerin, warum sie einen Zusammenbruch hatte.«
»Ich glaube nicht, dass sie zusammengebrochen ist, weil zu viel Druck auf ihr lastete«, sagte Vanessa. »Ich glaube eher, dass jemand sie vorsätzlich in den Wahnsinn getrieben hat.«
»Wie meinst du das?«, fragte TJ.
»Ein außenstehender Beobachter würde sie vielleicht für verrückt halten. Aber sie wusste genau, was sie mir sagen wollte, und sie hatte einfach nur schreckliche Angst.«
»Aber wovor?«, fragte Blaine leise.
Darauf hatte keiner eine Antwort.
Der Probenraum im Balletttheater war leer, als Vanessa ein paar Minuten vor den anderen dort ankam. Sie warf ihre Tasche in die Ecke und schaltete das Licht an. Dann ging sie zu den vertrauten weißen Figuren an den Wänden und fragte sich, was Justin wohl damit gemeint hatte, dass er sie retten wollte. Wäre Zep doch nur an jenem Tag bei der Probe gewesen! Dann hätte Justin seine Rolle nicht übernommen und hätte sie nicht so behindern können. Und er wäre später auch nicht angekommen, um sich zu entschuldigen und sie danach vollkommen verwirrt zurückzulassen.
Wo war Zep? Es war schon Wochen her, seit sie zum letzten Mal richtig miteinander hatten reden können.
Vorsichtig berührte sie eine der weißen Figuren, dann eine andere. Unter ihren Fingern fühlten sie sich warm an, als würden die Wände brennen. Vanessa zuckte zurück, als sie bemerkte, dass die erste Figur, die sie berührt hatte, zu leuchten begann. Erschrocken fuhr sie zusammen, als sie ein leises Flüstern hörte – und dann die Stimme eines Mädchens:
Vanessa!
Es klang, als wäre sie von einer der Figuren gekommen. »Was ist?«, fragte Vanessa mit bebender Stimme.
Vanessa!
Das zischte ihr jetzt ein anderes Mädchen zu.
Vanessa!
»Was wollt ihr?«, fragte Vanessa. »Wer seid ihr?«
Die Figuren um sie herum begannen zu leuchten, und ihre Umrisse wurden immer heller, bis sie sich, die Gesichter in panischem
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